Ein gelungener Abgesang

„Robert Altman’s Last Radio Show!“ ist noch einmal ein grandioser Ensemblefilm

Der letzte Film eines Regisseurs vor seinem Tode bekommt immer eine ganz eigene Bedeutung. Und nicht jeder Filmemacher hat das Glück, mit einem gelungenen Werk abzutreten. So war etwa Hitchcocks „Familiengrab“ ein eher peinlicher Schlusspunkt und Truffauts „Auf Liebe und Tod“ erschreckend banal. Zwei großen Regisseuren, die beide noch als über 80-Jährige arbeiteten, gelang es dagegen, sich mit subtilen und melancholischen Schwanengesängen zu verabschieden. John Huston tat dies mit seiner Adaption der Kurzgeschichtensammlung „The Dead“ von James Joyce, und nun kommt Robert Altmans „A Prairie Home Companion“ (so der Originaltitel) in die deutschen Kinos. Dies ist ein sanfter, exzentrischer Ensemblefilm, der von nichts anderem erzählen will, als von der letzten Vorstellung einer altmodischen Radioshow. Diese gibt es wirklich, und sie ist schlicht eine der erfolgreichsten Sendungen in der Geschichte des Radios. Wenn statt des „Public Radios“ ein Privatsender diese Show produzieren würde, wäre sie wohl dennoch längst abgewickelt worden, und genau diese Situation beschreibt Altman in seinem Film. Ein Topmanager aus Texas, dessen Konzern den kleinen Sender geschluckt hat, und der nur „der Axtmann“ genannt wird, kommt in das ländliche Minnesota, um dort persönlich die Radioshow zu schließen, die jede Woche in einem alten Theater live produziert wird. Diese Mischung aus Gesangsnummern, Sketchen, gemütlichen Plaudereien und Werbebotschaften ist ein geordnetes Chaos, bei dem regelmäßig Songtexte vergessen, Einsätze verpasst und die Pointen von Witzen verdorben werden. Doch all dies wird mit einem souverän trockenen Humor des Conférenciers Garrison Keillor überspielt, der die Show tatsächlich von Anfang an leitet, das Drehbuch schrieb und in Deutschland vor allem als der Autor von Romanen wie „Das Buch der Kerle“ bekannt wurde.

Altman war immer ein Regisseur, der versuchte, das Durcheinander des Lebens, das Überraschende, die Missgeschicke und unverhofften Glücksmomente in seinen Filmen einzufangen, und so war diese live aufgeführte Radioshow für ihn eine wunderbare Spielwiese, auf der er sich noch einmal austoben konnte. Wie in seinen großen Ensemblefilmen „Nashville“, „Pret-à-Porter“ oder „Short Cuts“ wechselt er wieder ständig zwischen den Filmfiguren, Geschichten und Stimmungen hin und her. So spielen Meryl Streep und Lili Tomlin mit einer wunderbar sanften Komik zwei Schwestern, die als Country-Sängerinnen schon bessere Tage erlebt haben und sich in der Garderobe zanken oder über alte Zeiten plaudern. Zwei singende Cowboys reißen nicht ganz stubenreine Witze, eine melancholische junge Frau schreibt Gedichte über den Selbstmord, und Mr. Keillor erzählt immer neue Versionen von der Geschichte, wie er als junger Mann zum Radio gekommen ist.Die meisten von ihnen wissen, oder ahnen zumindest, dass dies die letzte Veranstaltung ist, aber sie versuchen, mit mehr oder weniger Erfolg, sich davon nichts anmerken zu lassen. Zudem gibt es immer wieder Erscheinungen einer mysteriösen, in weiß gekleideten Blondine, in der ein von Kevin Kline als Parodie auf Humphrey Bogart angelegter Hausdetektiv schließlich den Engel des Todes erkennt. Mit all diesen verschiedenen Motiven jonglierte Altman noch einmal mit einer in jeder Minute des Films spürbaren Freude am unordentlichen, traurigen, schönen, lächerlichen und erhabenen menschlichen Dasein. Ein schöner Abschied von seinen Zuschauern ist ihm da gelungen.

Wilfried Hippen