Genmais kommt unter Verdacht

Bundesamt untersagt Monsanto-Konzern, den Genmais MON 810 weiter in Verkehr zu bringen

VON HANNA GERSMANN
UND NICK REIMER

Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) hat zum ersten Mal erklärt, dass die Gentechnik auf dem Acker Gefahren birgt. Es geht um den Genmais MON 810 des amerikanischen Agrarkonzerns Monsanto.

In diese Sorte haben Biotechnologen die Erbsubstanz des Bacillus thuringiensis (Bt) eingebaut. So produziert das Gewächs ein Gift, das dem Maiszünsler, einem lästigen Schädling, nicht bekommt. Es ist der einzige Genmais, der in Deutschland angebaut werden darf. Seehofer – es war eine seiner ersten Amtshandlungen – hatte ihn Anfang 2006 zugelassen. Nun stellt er seine Entscheidung in Frage.

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, das dem Agrarminister untersteht, hat Monsanto per Einschreiben jetzt einen „Bescheid“. Er liegt der taz vor. Darin heißt es, dass sich das Gift, das die Pflanze produziere, ausbreiten könne. „Erst mit jüngeren Untersuchungen wurde deutlich, dass und in welchem Ausmaß das Bt-Toxin über die Pflanze in höhere Nahrungskettenglieder gelangt.“ Es bestehe „ein berechtigter Grund zu der Annahme, dass der Anbau von MON 810 eine Gefahr für die Umwelt darstellt“.

So neu sind die Erkenntnisse allerdings nicht: Das Bundesamt bezieht sich auf Studien, die in den Jahren 2003 und 2005 veröffentlicht wurden. MON 810 ist seit langem umstritten, weil das Gift der Maispflanze auch Gift für Nichtschädlinge ist. Wissenschaftler aus Ungarn zeigten beispielsweise, dass auch die Raupen des Tagpfauenauges sterben, wenn sie mit den Genmais-Pollen in Kontakt geraten.

Andere Länder haben bereits Konsequenzen gezogen: Ungarn hat MON 810 verboten. Österreich und Griechenland verhängten einen Importstopp. Polen sowie die Slowakei sträuben sich auch. Seehofers Mitarbeiter fordern nun: Genmais müsse besser kontrolliert werden. In Amtsdeutsch: „Die Abgabe von Saatgut von gentechnisch verändertem Mais der Linie MON 810 […] darf erst erfolgen, nachdem der Genehmigungsinhaber dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Plan zur Beobachtung der Umweltauswirkungen […] vorgelegt hat.“

Das Problem: Der Genmais, der dieses Jahr geerntet werden soll, ist längst in der Erde. Die Bauern haben ihn in den letzten Tagen gesät. Müssen sie ihre Äcker nun umpflügen? Darüber gibt es seit gestern Streit. Minister Seehofer sagte der taz: „Ich verpflichte die Bauern nur, künftig ein modernes Monitoring zu machen.“ Einen Anbaustopp gebe es aber nicht. Doch Peter Rudolph vom Brandenburger Agrarministerium versteht den Bescheid anders: „Faktisch bedeutet er, dass der Mais nicht mehr verkauft werden darf.“ In Brandenburg liegen bundesweit die meisten Genäcker. Monsanto habe noch keinen Monitoring-Plan vorgelegt, erklärt Rudolph – also „darf MON 810 nicht mehr in Verkehr gebracht werden“.

Umweltschützer zeigten sich verwundert über den Seehofer-Bescheid: „Wieso kommt der jetzt? Wieso mit diesen Formulierungen?“ Heike Moldenhauer vom BUND hält den Vorstoß für „Show“. Seehofer wolle vermitteln, dass er die Genskepsis in der Bevölkerung ernst nehme. Vor allem Seehofers Wählerreservoir, die bäuerliche CSU-Basis, hält nicht viel von Genmais. Seehofer muss jedoch das strikte Gentechnikgesetz, das noch von Rot-Grün verabschiedet worden war, novellieren. Die Regierungskoalition will den Genanbau erleichtern.

„Seehofer sollte jetzt den Mut haben, den Genmais zu verbieten“, forderte die grüne Fraktionsvize Bärbel Höhn. „Ich hoffe, er wird sich dabei nicht durch die Lobbyarbeit von US-Konzern Monsanto beeinflussen lassen.“ Im Kanzleramt sei gestern die amerikanische Botschaft vorstellig geworden, um sich über den Bescheid zu beschweren.