Ein neuer Rat für das Weltgewissen

Im World Future Council in Hamburg kümmern sich seit gestern alte Weise und junge Experten um alle Dinge, die in der Welt schieflaufen. Mit dabei sind Jakob von Uexküll, Bianca Jagger und Prinz El Hassan Bin Talal. Das erste Thema: der Klimaschutz

AUS HAMBURG GERNOT KNÖDLER

Das Weltgewissen residiert jetzt in Hamburg. Gestern ist im Rathaus der Welt-Zukunftsrat (World Future Council – WFC) gegründet worden. Das Gremium werde als „Hüter zukünftiger Generationen“ agieren, sagte dessen Gründer, Jakob von Uexküll, der auch schon den alternativen Nobelpreis gestiftet hat. 50 Persönlichkeiten aus der ganzen Welt sollen mit ihrer Expertise Lösungen für die ökologischen und sozialen Probleme des Planeten erarbeiten und diese mit Hilfe ihres Ansehens durchsetzen. Dabei sollen sie mit einem weltweiten Netz demokratischer Parlamentarier, dem eParliament-Network, kooperieren.

Im WFC werden alte Weltweise ebenso wie einige der „Führer von morgen“ sitzen: der Atomphysiker Hans-Peter Dürr neben Prinz El Hassan Bin Talal, dem Präsidenten des Club of Rome; Bianca Jagger als Menschenrechtsaktivistin neben der Gründerin des Body Shop, Anita Roddick, und der jungen Unternehmensberaterin Ylva Lindberg, die sich auf das Thema Unternehmensverantwortung spezialisiert hat. Weitere Mitglieder sind die Agrar-Aktivistin Vandana Shiva und Vithal Raja, der Vize-Präsident von Oxfam Indien.

In einer Zeit, in der politisches und wirtschaftliches Handeln von kurzfristigem Denken bestimmt seien, solle der WFC die langfristige Perspektive in den Blick nehmen. „Genauso wie wir überprüfen, ob politische Entscheidungen verfassungsgemäß sind, wird der WFC überprüfen, ob sie erdgemäß sind“, kündigte Uexküll an. Auf der Themenliste des Rats steht deshalb praktisch alles, was auf der Erde schiefläuft: vom Klimaschutz über den Schutz der Wälder, die Kreislaufwirtschaft und den fairen Handel bis hin zu Menschenrechten und Friedenserziehung.

Weil das Problem so drängt, hat der WFC in seiner ersten, auch auf Deutsch erschienenen Publikation „Zukunft ist möglich“, das Thema Klimaschutz aufgegfriffen. „Ohne ein stabiles Klima können wir andere Krisen nicht lösen“, sagt Uexküll. Auch hier deklinieren die Autoren eine Vielzahl von Themen durch: der SPD-Bundestagsabgeordnete und Präsident von Eurosolar Hermann Scheer schreibt über erneuerbare Energien, WFC-Programmdirektor Herbert Girardet über lebenswerte Städte und Oxfam-Direktor Stewart Wallis über einen neuen Welthandel.

In Hamburg wird künftig das Sekretariat des WFC sitzen. Von hier aus soll die Arbeit der thematisch arbeitenden Kommissionen auf der Welt koordiniert und vermarktet werden. Das Sekretariat kam an die Elbe, weil es vom Senat eine Starthilfe von 3,5 Millionen Euro und zusätzlich von dem Hamburger Unternehmer Michael Otto, dem Chef des gleichnamigen Versandhauses, 1,5 Millionen für die ersten drei Jahre erhielt. „Es hat politischen Weitblick und Mut erfordert, den WFC nach Hamburg zu bringen“, sagte Uexküll. Viele der Empfehlungen würden sicher unbequem sein, etwa die Forderung nach bindenden Abkommen zur Klimagerechtigkeit.

„Wir freuen uns auf den Druck und das Tempo, das gemacht werden soll“, sagte Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Für Sven Giegold von Attac hat es allerdings ein „Gschmäckle“, dass sich ausgerechnet der in puncto Nachhaltigkeit nicht gerade richtungsweisende Senat mit dem WFC profiliert. Kürzlich gab der Senat grünes Licht für ein Steinkohlekraftwerk von Vattenfall mit 1.640 Megawatt Leistung, das jährlich sieben Millionen Tonnen CO2 produzieren wird.

Greenpeace übermittelte auf Anfrage Glückwünsche zur WFC-Gründung. „Wir finden das gut“, sagte die Sprecherin Svenja Koch. „Hauptsache, es geht beim Klimaschutz voran.“