Seltenes Lob für CDU im Fall Kurnaz

Linkspartei dankt Merkel, weil sie die rot-grüne Einreisesperre gegen Kurnaz aufhob

BERLIN taz ■ Er war der vorerst letzte prominente Zeuge. Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) sollte im Untersuchungsausschuss des Bundestags erklären, wie sich die neue Regierung von Angela Merkel nach ihrem Amtsantritt 2005 für die Freilassung des Deutschtürken Murat Kurnaz aus dem US-Gefangenenlager Guantánamo einsetzte – und warum sie seine Rückkehr nach Deutschland im Jahr 2006 erlaubte. Eine brisante Frage, denn die rot-grünen Vorgänger hatten aus Sicherheitsgründen eine Einreisesperre gegen den gebürtigen Bremer verhängt.

Doch de Maiziére gelang ein seltenes Kunststück: Nach seinem Auftritt waren alle zufrieden. Die Opposition lobte Merkel und sah die Vorwürfe gegen Rot-Grün bestätigt, die SPD sah Rot-Grün entlastet. De Maizière lieferte beiden Seiten Argumente.

Nicht ohne Stolz schilderte er die erfolgreichen Freilassungsbemühungen der Merkel-Regierung. Bei der Entscheidung, Kurnaz wieder einreisen zu lassen, seien – angesichts seiner langjährigen Haft in Guantánamo – humanitäre Aspekte wichtiger gewesen als Sicherheitsbedenken. De Maizière betonte, die neue Regierung habe keine anderen Erkenntnisse über Kurnaz’ Gefährdungspotenzial gehabt als die alte, aber eine andere „Abwägungsentscheidung“ getroffen. Kurnaz sei seiner Ansicht nach „nicht so gefährlich“ gewesen, dass man seine Rückkehr hätte verhindern müssen.

Gleichzeitig nahm der CDU-Politiker aber auch Rot-Grün und seinen Amtsvorgänger im Kanzleramt, den heutigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in Schutz: „Man muss vorsichtig sein, beim Werfen des ersten Steines Jahre danach“. Die Einreisesperre, die Steinmeier 2002 verhängen ließ – und bis 2005 nicht aufhob –, wollte de Maizière nicht kritisieren. Aus der Tatsache, dass Merkels Regierung später eine andere Entscheidung fällte, folge nicht, dass die Entscheidung davor falsch war. Er sei froh, dass er die Entscheidung 2002 nicht habe treffen müssen. Die Situation 2006 sei nicht vergleichbar mit der Situation ein Jahr nach dem 11. September 2001 gewesen.

Diese verständnisvollen Äußerungen über Rot-Grün ließen SPD-Obmann Thomas Oppermann „sehr zufrieden“ nach Hause gehen. Die Oppositionspolitiker von FDP und Linkspartei hingegen sahen sich in ihrer Kritik am Verhalten von Rot-Grün bestätigt. Linkspartei-Obmann Wolfgang Neskovic nannte die jahrelange Einreisesperre eine „bewusste menschenfeindliche Entscheidung“ und bilanzierte: „Nicht Rot-Grün war jene Regierung, die sich für die Menschenrechte eingesetzt hat. Frau Merkel hat ein Zeichen gesetzt.“ Dafür gebühre der Kanzlerin „Dank“, sagte Neskovic. Der FDP-Vertreter Max Stadler fragt sich weiter: „Warum hat die Vorgängerregierung Schröder nicht so gehandelt?“ LUKAS WALLRAFF