Einigung auf neue Regierung in Serbien

Aber wie lange hält sie? Die Parteien trauen einander nicht. Koštunica pokert am besten und bleibt Premierminister

BELGRAD taz ■ Mehr als drei Monate nach den Parlamentswahlen Ende Januar kriegt Serbien jetzt eine neue Regierung. Der prowestliche Präsident Boris Tadić und der national-konservative Interimspremier Vojislav Koštunica sollen gestern unter vier Augen einen Kompromiss über die strittige Kontrolle der Armee, Polizei und Geheimdienste gefunden und sich so auf eine Regierungsbildung geeinigt haben, meldete gestern der Belgrader Radiosender B 92. Eine offizielle Bestätigung stand gestern Nachmittag noch aus. Wie man inoffiziell erfährt, wird Koštunica Regierungschef bleiben, obwohl seine Demokratische Partei Serbiens (DSS) bei den Wahlen auf dem dritten Platz gelandet war, hinter der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS) und Präsident Tadić’ Demokratischer Partei (DS).

Tadić soll als Vorsitzender des Rates für nationale Sicherheit alle Sicherheitsdienste koordinieren, seine DS bekommt das Verteidigungsministerium. Dafür behält Koštunicas DSS das Innenministerium. Den serbischen Geheimdienst BIA soll, wie es heißt, eine unparteiische Person übernehmen. Der dritte Regierungspartner wird die liberale Expertenpartei G 17 Plus sein.

Noch am Donnerstag schien es, dass nach gegenseitigen Vorwürfen und Beleidigungen Neuwahlen unumgänglich seien. Die DSS beschuldigte Tadić, „im Auftrag des Westens“ die Sicherheitsstrukturen „usurpieren“ zu wollen. DS-Abgeordnete warfen Koštunica vor, die noch von Milošević-Kadern geführten Polizei- und Geheimdienste nicht reformieren zu wollen.

Den Anstoß für die Einigung gab wohl, dass Koštunica sich der rechtsradikalen SRS zuwandte. Er ließ diese Woche deren Chef Tomislav Nikolić zum Parlamentspräsidenten wählen. Das löste Panik im In- und Ausland aus. Brüssel und Washington übten heftigen Druck auf Tadić aus, die schon abgebrochenen Gespräche mit Koštunica wieder aufzunehmen und die SRS an der Machtergreifung zu hindern.

Kritiker meinen, Koštunica habe nun so wie früher Slobodan Milošević erfolgreich die chauvinistische SRS als Vogelscheuche benutzt und das Maximum für sich herausgeholt. Die zukünftige Regierung dürfte sich somit als instabil erweisen.

ANDREJ IVANJI