Im Kreml herrscht Hochstimmung

Vor dem EU-Russland-Gipfel in Samara werden US-Außenministerin Rice und ihr deutscher Amtskollege Steinmeier in Moskau vorstellig und betreiben verbale Abrüstung. Es geht auch um die Neuauflage des Partnerschaftsabkommens mit der EU

AUS MOSKAU KLAUS-HELGE DONATH

Gleich zwei Außenminister sind diese Woche mit dem Auftrag nach Moskau gereist, verbal abzurüsten und wieder eine Gesprächsebene mit den russischen Partnern zu schaffen. Das Verhältnis zwischen Moskau und Washington hat seit längerem den Gefrierpunkt erreicht; auch die Beziehungen zur EU drohen vor dem Gipfel in Samara am Wochenende in einer Sackgasse zu enden.

Außenministerin Condoleezza Rice traf am Montag in Moskau ein und sorgte noch in der Luft für Entspannung. Von einem „neuen kalten Krieg“ könne nicht die Rede sein, es sei nicht mehr die Zeit, „in der in unseren Beziehungen katastrophale Dinge geschehen können“.

Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier war nicht zu beneiden. Er kam gestern zu einem Krisentreffen nach Moskau, nachdem die EU am Vorabend die Aussichten eines Gesprächs über die Neuverhandlungen des Partnerschaftsabkommens (PKA) mit Russland ausgeschlossen hatte. Am Nachmittag traf Steinmeier mit Präsident Wladimir Putin zusammen. Das Treffen sollte offenbar dazu dienen, ein Scheitern des Gipfels zu verhindern.

„Wenn das Thema des PKA in Samara angesprochen wird, dann nur am Rande“, hatte der Kreml-Sonderbeauftragte für die EU, Sergej Jastrschembski, nach der Brüsseler Entscheidung klargestellt. Wichtig ist das Signal nach innen: USA und EU eilen nach Moskau, um zerbrochenes Porzellan zu kitten. Russland spielt in der Champions League mit, und dies ist das Erbe der Ära Putins, der nächstes Jahr aus dem Amt scheiden muss.

Das ist der Hintergrund der Konflikte. Denn weder fühlt sich Moskau vom US-Raketenschirm in Tschechien bedroht, noch bringt die Verschiebung der Verhandlungen mit der EU materielle Nachteile. Russland will Stärke zeigen, und da kommt es wie gelegen, dass der Westen Moskau die Steine des Anstoßes selbst vor die Tür rollt. Der Raketenschild der USA, der auch bei den Verbündeten der Allianz auf Kritik stößt, unterstreicht die Rücksichtslosigkeit des einzigen Weltpolizisten. US-Angebote, die Entwicklung gemeinsam vorzunehmen, griff der Kreml nicht auf.

Auch in der Kosovofrage gab es keine Bewegung. Moskau lehnt die „bedingte“ Unabhängigkeit ab und wehrt sich gegen US-Vorstöße im UN-Sicherheitsrat, eine Kosovoresolution zu lancieren. Dennoch wollten sich beide Seiten um eine Lösung bemühen, hieß es nach dem Außenministertreffen.

Im Streit mit Polen, das wegen des russischen Fleischimportverbots die PKA-Verhandlungen mit einem Veto blockiert, leidet Moskau nicht. Dass sich Litauen und Estland dem Veto jetzt anschlossen, beunruhigt den Kreml ebenfalls nicht. Die Öllieferungen nach Litauen stoppte Moskau bereits im vergangenen Sommer, nachdem Vilnius die Raffinerie Mazeikia Nafta, die Russland gerne gekauft hätte, an die Polen veräußerte.

In der Auseinandersetzung mit Estland über die Verlegung des Denkmals des „Bronzenen Soldaten“ zeigte man sich auch nicht für versöhnliche Schritte aus Tallinn empfänglich. Russland fühlt sich wohl in der eingebildeten Opferrolle. Die zwischen alten und neuen EU-Mitgliedern geschürte Missstimmung ist Kalkül.

Moskau ist einer Selbsttäuschung erlegen: je unbeliebter, desto stärker. Die Beziehungen zu 11 von den 17 Anrainerstaaten Russlands sind inzwischen gespannt. Nur wer stark ist, hat auch Feinde, glaubt Moskau. Gleichzeitig beruhigt es ungemein, wenn die vermeintlichen Gegner anreisen und um Konsens buhlen.

Im Kreml herrscht Hochstimmung. Besonders nach dem Coup vom Wochenende, als es Putin gelang, Kasachen und Turkmenen für den Bau einer Gaspipeline durch Russland zu gewinnen. Damit dürfte der Traum im Westen, eine Pipeline durch das Kaspische Meer zu verlegen und die Abhängigkeit von russischer Energie zu verringern, ausgeträumt sein.