Kino-Ikone und Festivaljurorin

Maggie Cheung ist einer der großen Hongkong-Stars, aber längst auch eine Weltbürgerin des Kinos. Bereits zum zweiten Mal – nach 1999 in Venedig – ist die Schauspielerin in Cannes nun in die Jury eines der ganz großen Festivals geladen. Gleich mit dem Eröffnungsfilm des Wettbewerbs, Wong Kar-Wais „My Blueberry Nights“, wird es zur Begegnung mit einem alten Bekannten kommen. Zwar ist Cheung eine Veteranin des Hongkong-Kinos und hat vom Martial-Arts-Spektakel bis zur Jackie-Chan-Komödie seit Mitte der Achtziger keines der Genres verschmäht, die in der heimischen Filmindustrie produziert werden. Dennoch sind ihr Name und ihr Gesicht im Westen in erster Linie mit den Filmen des Regisseurs Wong Kar-Wai verbunden. Bereits in seinem Spielfilmdebüt „As Tears Go By“ von 1988 spielte sie die weibliche Hauptrolle, und in „In the Mood for Love“ (2000) bezauberte sie das Publikum in aller Welt.

Maggie Cheung wurde in Hongkong geboren, verbrachte aber ihre Schulzeit nach dem Umzug der Eltern in einem beschaulichen Ort in der englischen Grafschaft Kent. Mit 17 kehrte sie zurück in die damalige Kronkolonie, arbeitete als Model und wurde 1983 immerhin zweite bei den Wahlen zur Miss Hongkong. Schauspielunterricht nahm sie nie, kam aber rasch ins Filmgeschäft und wurde mit wenig anspruchsvollen Rollen schnell populär, unter anderem in Jackie Chans Action-Film „Police Story“. Freilich deutete zunächst wenig darauf hin, dass sie mehr als eine der vielen kurzlebigen Karrieren innerhalb der mit frenetischem Tempo Regisseure, Geschichten und Darsteller verschleißenden Filmindustrie machen würde.

Der Durchbruch zur Charakterdarstellerin gelingt ihr in den Neunzigerjahren mit den Filmen von Regisseuren wie Stanley Kwan und eben Wong Kar-Wai. Nun wird man auch im Westen aufmerksam. Der französische Regisseur Olivier Assayas, ein großer Kenner des asiatischen Kinos, besetzt sie in seiner Film-im-Film-Komödie „Irma Vep“ als die Kino-Ikone, die sie inzwischen ist – und lässt sie im eng anliegenden Latex-Kostüm als Hongkong-Star Maggie Cheung auftreten. Aus der beruflichen Liaison wird eine private, Cheung heiratet Assayas und zieht nach Frankreich. Nach wenigen Jahren kommt es zur Trennung, aber beiden gelingt ein berufliches Happy End. Assayas’ Film „Clean“ – wieder mit Maggie Cheung in der Hauptrolle – läuft 2004 im Wettbewerb von Cannes, und Cheung gewinnt den Preis als beste Darstellerin. In diesem Jahr kehrt sie als Mitglied der Jury zurück – an der Seite so berühmter Mitjuroren wie Regisseur Stephen Frears und Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk. EKKEHARD KNÖRER