Karlsruhe rügt Abhöraktion gegen El Masris Rechtsanwalt
: Urteil reicht nicht weit genug

Die Entscheidung aus Karlsruhe kam schnell. Die Abhöraktion bei El Masris Anwalt Manfred Gnjidic war unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig. Offensichtlich wollte Karlsruhe mit seiner prompten Reaktion deutlich machen, dass es solche Vorgänge, bei denen ohne Rücksicht auf die Grundrechte der Betroffenen Telefone abgehört werden, auch in Zukunft nicht dulden wird. Dabei hätte der Karlsruher Beschluss allerdings entschlossener ausfallen können und das anwaltliche Vertrauensverhältnis, aber auch die Pressefreiheit stärker schützen müssen.

Die Staatsanwaltschaft begründete die Abhöraktion mit der Vermutung, die CIA-Entführer von El Masri könnten bei Anwalt Gnjidic anrufen und versuchen, einen Schweige-Deal auszuhandeln. Das Verfassungsgericht beanstandete dieses Vorgehen nur, weil die Wahrscheinlichkeit solcher CIA-Anrufe sehr gering war und auf bloßen Vermutungen beruhte. Es kritisierte aber nicht, dass ein Anwalt ohne sein Wissen und gegen seinen Willen als bloßer „Nachrichtenmittler“ abgehört wird.

Die Anwaltsverbände fordern seit langem, das Anwälte gar nicht abgehört werden können. Das geht natürlich auch zu weit, denn auch gegen Anwälte, die Teil einer verbrecherischen Organisation sind, muss wirksam ermittelt werden können. Im vorliegenden Fall lag aber nicht der Hauch eines Verdachts auf Anwalt Gnjidic – und schon gar nicht, dass er mit den Entführern der CIA konspiriert haben könnte. Wenn Gnjidic also als Köder für Entführeranrufe benutzt werden sollte, dann hätte Karlsruhe zumindest verlangen müssen, dass der Anwalt vorher gefragt wird – und kontrollieren kann, dass alle aufgezeichneten Gespräche, die nicht vom CIA stammen, sofort gelöscht werden.

Tatsächlich ging es der Polizei aber wohl gar nicht um Entführeranrufe, sondern um Gespräche des Anwalts mit Journalisten. Gnjidic wurde nicht als Köder für die CIA, sondern für Stern und Frontal 21 missbraucht. Verletzt war also nicht nur die anwaltliche Berufssphäre, sondern auch die Pressefreiheit. Auch dazu schweigt der Karlsruher Beschluss, leider. CHRISTIAN RATH