neues aus neuseeland: lieber faltstich statt haue von ANKE RICHTER:
Ich stand am Kiosk und studierte das reiche Sortiment an Fachzeitschriften. Was es nicht alles gibt! New Zealand Logger, das Heft für den professionellen Baumfäller, dessen Aufgebot an Baggern, Schleppern und Kettensägen auch einem Dreijährigen viele faszinierende Stunden beschert. Oder die Schafscherer-Postille The Shed. Oder Angel-Fachblätter. Und dann das Zentralorgan für passionierte Wildschweinjäger: More-Pork.
Der Aufmacher von More-Pork ist stets ergreifend, wenn auch thematisch eng gefasst: Mann, Kumpel und Hunde fahren in die Wildnis, kriechen durchs Dickicht, sauen sich ein, stöbern ein Wildschwein auf, knallen es ab und schleppen es auf dem Rücken zurück zum Jeep. Letzteres kann gar nicht genug betont werden, denn die Viecher sind gut und gern hundert Kilo schwer. So ein Schwein passt in keinen Rucksack.
Die optische Ausrichtung von More-Pork ist stringent, denn jedes Cover zeigt einen wackeren Wildschweinjäger in Baumfällerhemd (sicher ein Leser von New Zealand Logger), der ein blutiges Borstenvieh huckepack trägt. In unverfälschtem O-Ton darf der Titelheld berichten: „Wir rannten wie ein paar Rodeo-Bullen in die Richtung, aus der das Kläffen kam. Keine Zeit verlieren – in dieser Schlacht wurde jeder gebraucht!“ Pulitzer-Preise kann man sich bei More-Pork nicht erschreiben, aber gut Testosteron ablassen. Das ist gesund und schützt vor Verweichlichung und Vegetarismus.
Ein anderes Titelblatt sprang mir ins Auge, denn es zeigte das rosige Engelsgesicht eines kleinen Mädchens, dessen Kopf den Namen der Zeitschrift leicht verdeckte: Smacking. Smacking bedeutet Ohrfeigen geben oder Klapse auf den Po. „Smacking“ ist seit Wochen das Reizwort, denn eine Grünen-Politikerin versucht, ein Gesetz zu ändern, das bisher das Prügeln von Kindern sanktionierte. Doch das Recht auf Kinder-Kloppe wollen viele Kiwis sich nicht so einfach nehmen lassen und laufen gegen den Anti-Smacking-Paragrafen Sturm – wer will schon diesen neumodischen Kram, den Schweden vor über 50 Jahren eingeführt hat? Wo’s noch nicht mal Ikea im Lande gibt!
Besonders eifrig im Missionieren für die Maulschelle ist die Liga der rechten Christen. Wahre Meister in Sachen PR. Eine eigene Fachzeitschrift hätte mich daher kein bisschen überrascht. Den Inhalt konnte ich mir lebhaft vorstellen: Hochglanz-Berichte über glückliche Familien, Überschrift: „Mit einer Tracht Prügel geht alles leichter.“ Make-up-Tipps fürs fachgerechte Abdecken blauer Flecken und Striemen. Bastel-Tipps fürs Reparieren von Gürteln, Peitschen, Handfegern. Reisereportagen zu exotischen Hochburgen öffentlicher Auspeitschungen, zum Beispiel Kandahar. Zuletzt die Modestrecke: Tolle Hosen mit Reißverschluss hinten – „So ist der Po in Sekunden frei!“
Als ich ein zweites Mal hinschaute, sah ich, dass mir mein Gehirn einen Streich gespielt hatte: Das blonde Lockenköpfchen verdeckte den Buchstaben o, nicht a. Optische Täuschung: Das Magazin hieß Smocking and Embroidery, Faltstich und Stickerei. Was mich in nicht minder verstörtem Zustand am Kiosk zurückließ. Wann wird endlich der Missbrauch von Nadeln verboten?
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