Signal aus Belgrad an die EU

Die neue serbische Regierung verspricht Festnahme der mutmaßlichen Kriegsverbrecher

SARAJEVO taz ■ Schon einige Stunden nach der Bildung der neuen Regierung in Serbien in der Nacht zum Mittwoch drangen Polizeikräfte in ein von Militärs genutztes Hotel ein, um Ratko Mladić, den seit über 12 Jahren vom Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gesuchten serbisch-bosnischen General, festzunehmen. Auch wenn die Aktion wieder einmal ein Schlag ins Wasser war, so wollte die neue Koalitionsregierung in Belgrad die Botschaft an die EU schicken, sie bemühe sich endlich darum, Mladić dingfest zu machen.

Seit Mai 2006 sind die Gespräche über ein Assoziierungsabkommen mit Brüssel wegen Mladić völlig eingefroren. Vielleicht gelingt es den proeuropäischen Kräften in der Regierung Vojislav Koštunica ja doch noch, sich in dieser Frage durchzusetzen. Die strukturellen Voraussetzungen für eine Veränderung der Politik jedenfalls wurden nach dem monatelangen Tauziehen um die Koalition aus der nationalkonservativen Serbischen Demokratischen Partei, der bürgerlichen Demokratischen Partei und den Wirtschaftsexperten der Partei G-17 geschaffen. Denn die größte Partei der Koalition, die Demokratische Partei, konnte sich 12 der 24 Ministersessel sichern, wenn auch der Ministerpräsident der alte blieb.

Boris Tadić, Präsident des Landes und Chef der Demokraten, wird eine Kommission für die Festnahme der Kriegsverbrecher leiten, die Einfluss auf das Innen- und Verteidigungsministerium nehmen kann. Da jene Leute, die Mladić stützen, in der Polizei, dem Militär, den Geheimdiensten und der Justiz über starke Bastionen verfügen, kann man auf die nächsten Züge der neuen Regierung gespannt sein. Logisch und von internationalen Experten angeraten, wäre es, nach und nach dieses Konglomerat aus extremen Nationalisten, korrupten Beamten und Kriminellen aus dem Staatsdienst zu entlassen. Aber offener Widerstand gegen die Festnahme Mladićs bleibt nicht ausgeschlossen.

Ministerpräsident Vojislav Koštunica und seine Partei, die weiterhin Verbindungen zur extremen Rechten hat, könnten zudem weiter auf Zeit spielen. Denn im September wird die Chefanklägerin des UN-Tribunals, Carla del Ponte, aus dem Amt scheiden, die Institution soll 2010 aufgelöst werden.

Doch noch steht die EU zu ihrer Forderung, Voraussetzung für weitere Integrationsschritte sei die Festnahme der Gesuchten fünf Personen, darunter neben Mladić auch Radovan Karadžić, der politische Führer der bosnischen Serben während des Krieges 1992–95. Allerdings: In den letzten fünf Jahren ist die EU Belgrad in dieser Frage trotz aller Drohungen immer wieder entgegengekommen.

Die größte Bewährungsprobe für die Regierung kommt, wenn der UN-Sicherheitsrat vermutlich Ende des Monats über die Unabhängigkeit Kosovos berät. Die Demokratische Partei könnte dem Ahtisaari-Plan, der eine begrenzte Souveränität Kosovos vorsieht, zwar letztlich zustimmen, Koštunica und die Nationalisten aber niemals. Für sie kann Kosovo nur Teil Serbiens bleiben.

ERICH RATHFELDER

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