Die neue Linke kann starten

Nach langem Gezerre sind WASG und PDS so weit: Der Fusion steht nichts mehr im Weg. Führende Sozialdemokraten allerdings wollen mit der neuen Partei erst mal nichts zu tun haben – auch deshalb, weil Oskar Lafontaine an deren Spitze stehen soll

VON MAX HÄGLER

Der Zusammenschluss von WASG und PDS zur gemeinsamen Partei „Die Linke“ ist perfekt. Am Wochenende zählten beide die Urabstimmungen ihrer Mitglieder aus: Bei der PDS votierten 97 Prozent der Mitglieder für die Fusion. Bei der WASG waren es 84 Prozent. Hier gaben allerdings nur 50 Prozent der Mitglieder ihre Stimme ab, bei der PDS hingegen 83 Prozent.

Eine Doppelspitze soll die neue Partei – mit 71.000 Mitgliedern die viertgrößte Deutschlands – künftig führen: Beim ersten gemeinsamen Parteitag am 16. Juni in Berlin kandidieren dafür der Noch-WASGler Oskar Lafontaine und PDS-Mann Lothar Bisky. Parteizentrale wird das Karl-Liebknecht-Haus in Berlin, bisher der Sitz der PDS.

Damit geht ein jahrelanger Marathon um Namen und Abstimmungen zu Ende. Seit Juni 2004 redeten die beiden linken Parteien von Fusionen, schlossen immer wieder Wahlbündnisse – am prominentesten zur Bundestagswahl 2005 – und verursachten dabei auch ein mittleres Namenschaos. Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit, kurz WASG, Linkspartei und PDS sorgten in Interviews und beim Wähler immer wieder für Verwirrung.

Beide Gruppierungen seien sich zwar noch ihrer unterschiedlichen Wurzeln bewusst, sagte WASG-Bundesvorstandsmitglied Christine Buchholz gestern im Gespräch mit der taz: „Aber die Reibungspunkte in der neuen Linken werden nicht mehr Ost oder West heißen, künftig wird nur noch über Inhalte diskutiert.“

Die WASG war im Juli 2004 von Exmitgliedern der SPD und Gewerkschaftern gegründet worden, die aus Frust über den Reformkurs des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder den Sozialdemokraten den Rücken kehrten – mit dabei als prominentester Vertreter: Ex-SPD-Chef Lafontaine. Die PDS basiert auf Personen und Strukturen der früheren DDR-Staatspartei SED.

Einende Themen gebe es jedoch genügend, so Buchholz: „Die neue Linke ist die die klare Antikriegspartei.“ Ebenso positioniere sich die neue Partei gegen die Fortführung der Agendapolitik, gegen die Aufweichung des Kündigungsschutzes und gegen eine grenzenlose Privatisierung und Deregulierung.

Für Vizekanzler Franz Müntefering sind solche Aussagen Beweis mangelnder politischer Professionalität. Anders als manche koalitionsbereiten SPD-Landespolitiker schimpfte er im Deutschlandfunk gestern, dass Die Linke weder auf Bundesebene noch außenpolitisch handlungsfähig sei. Bei ihren Themen und Parolen handele sich um „eine Art von Linkssein, die nicht zukunftsträchtig ist, sondern das ist eine nostalgische Veranstaltung, die im Wesentlichen auf rückwärts gerichtet ist“. Die Linken seien auf „Opposition eingestellt und nicht darauf, Verantwortung zu tragen in dem Land“. Gleichzeitig gestand er ein, dass eine Koalition derzeit auch an der Person Lafontaine scheitern würde.

Absurd seien Münteferings Aussagen, meint dagegen Buchholz. „Er spricht über Mindestlohn und verhindert eine entsprechende Bundestagsabstimmung.“ Damit habe er sich diskreditiert und die SPD demaskiert. „Auf dieser Grundlage gibt es keinerlei Möglichkeit zur Zusammenarbeit.“ Überhaupt sei Die Linke nicht an Koalitionsspielereien interessiert, so Buchholz. „Momentan schauen wir in eine andere Richtung: Ein Viertel aller SPD-Mitglieder will aus ihrer Partei austreten.“

Die WASG-Politikerin gestand jedoch zu, dass auch für die fusionierte Linke vorerst die Oppositionsarbeit im Vordergrund stehen werde. „Wir glauben, dass wir mit den Menschen und unseren Partnern, etwa Gewerkschaften, Friedensbewegung, Erwerbsloseninitiativen, viel erreichen können.“ Das werde sich auch beim G-8-Gipfel zeigen.