Fusionitis: Neue Großbank in Italien

Mit dem Zusammenschluss von Unicredit und Capitalia entsteht in Italien die zweitgrößte Bank in Europa. Das neue Geldhaus macht sich so weniger angreifbar für feindliche Übernahmen. Das Fusionskarussell könnte sich demnächst weiterdrehen

AUS ROM MICHAEL BRAUN

100 Milliarden: Mit dieser sehr großen Zahl bringen Italiens Medien die Megabankenfusion auf den Punkt, die gestern zwischen der UniCredit und dem römischen Bankhaus Capitalia endgültig beschlossen werden sollte. 100 Milliarden Euro ist die Börsenkapitalisierung des neuen Instituts, das weiter unter dem Namen UniCredit firmieren wird. Das heißt: Italiens größte Bank wird nach ihrem Börsenwert die Nummer zwei in Europa hinter der britischen HSBC und vor der Schweizer UBS sein – und die Nummer sechs weltweit. Und die Fusion könnte weitere Zusammenschlüsse anderer Großbanken in Europa provozieren.

Es ist eine Heirat zwischen Partnern, wie sie ungleicher nicht hätten sein können. Auf der einen Seite steht mit der UniCredit – sie bringt etwa 78 Milliarden Euro an Aktienwert ein – die Bank unter der Führung von Alessandro Profumo. Der der römischen Politik fernstehende Profumo ging in den letzten Jahren einen Sonderweg: Er suchte sein Institut im Ausland zu stärken; mit der Übernahme der deutschen HypoVereinsbank machte er die UniCredit zum einzigen bisher jenseits der Grenzen stark präsenten italienischen Institut. Immer wieder ließ Profumo zugleich durchblicken, dass er am Banken-Monopoly auf dem heimischen Markt nur geringes Interesse hatte. Sein Partner wird nun ausgerechnet die römische Capitalia unter Cesare Geronzi. Die in Mittel- und Süditalien stark vertretene Bank suchte immer die Nähe zur Politik; Geronzi waren seine hervorragenden Kontakte in allen Parteien wichtiger als ökonomische Kennziffern.

So unterschiedlich die beiden Häuser sind, so sinnvoll erscheint dennoch ihre Fusion. Profumo darf sich über ein Institut unter seiner Leitung freuen, das im ganzen Land mit über 9.000 Filialen flächendeckend präsent ist, das etwa 16 Prozent des italienischen Marktes kontrolliert und das die zweite mächtige Großbank, die im Jahr 2006 entstandene Intesa San Paolo, klar auf den zweiten Platz verweist. Zudem soll die Fusion in den nächsten drei Jahren Synergieeffekte von über einer Milliarde Euro bringen.

Rundum positiv sind bisher die Reaktionen aus der Politik sowie aus der Banca d’Italia auf die Bankenhochzeit. Sie gilt als Beweis, dass der mit dem erzwungenen Rücktritt des früheren Notenbankgouverneurs Antonio Fazio im Dezember 2005 vollzogene Strategiewechsel funktioniert. Fazios Wirken kreiste völlig um die Verteidigung der „Italianità“ der Banken. Er suchte aktiv Allianzen und Fusionen in Italien zu stiften, um ausländische Übernahmeversuche abzuwehren; zugleich bemühte er sich, in den größeren Banken keine von ihm unabhängigen Akteure aufkommen zu lassen.

Fazios Nachfolger Mario Draghi dagegen ermunterte Italiens Großbanken zu neuem Protagonismus. So entstand im Jahr 2006 aus einer Großfusion die Intesa San Paolo, die auf eine Börsenkapitalisierung von 77 Milliarden Euro kommt, und so bringt die jetzt anstehende Fusion eine Bank hervor, die die Nummer eins in der Eurozone ist. Wie die beiden mächtigen Kolosse in Zukunft international agieren werden, ist noch nicht abzusehen. Zwei Erfolge werden in Italien aber jetzt schon verbucht. Erstens haben die beiden Banken eine Größe erreicht, die feindliche Übernahmen aus dem Ausland zum sehr anstrengenden Geschäft werden lassen. Andererseits aber bringen sowohl Intesa San Paolo als auch erst recht die schon stark in Deutschland ebenso wie in Osteuropa präsente UniCredit jetzt ein Gewicht auf die Waagschale, das sie zu möglichen mächtigen Akteuren bei den weiteren europäischen und weltweiten Übernahmeschlachten werden lässt.