aus der mensa: praktische praktikanten von HARALD KELLER
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Es könnte am gehobenen Lebensalter liegen gleichwie an dem Fakt, dass Wabble immer im denkbar letzten Moment durch die Tore des Speisesaals hastet. Jedenfalls hält er sich nie mit etwelchen Präliminarien der Sparte Sitte und Höflichkeit auf. Vielmehr wird der massige Leib zügig herangewälzt und bei aller Plumpheit verblüffend flott in eine Position gebracht, die eine ungehinderte und schnellstmögliche Essensaufnahme gewährleistet.

Auch heute nimmt er gleich mal den Mund sehr voll, ehe ein erstes Wort zwischen durchspeichelter Masse und mahlenden Zähnen durchrutscht. „Nein, diese Praktikanten“, würgt er hervor, wobei die leicht gekippte Stimme und die angeschrägte Kopfhaltung auf einen Zustand höchster Erregung hindeuten. Da alle hier am Tisch im Hauptberuf nebenberuflich arbeiten, hat beinahe jeder schon Erfahrungen mit dieser Spezies gemacht. Gern tauscht man Anekdoten wie die, die Wabble kauend und schluckend zum Besten gibt – ihm ward eine neue Praktikantin zugeteilt, der die Modalitäten eines postalischen Briefversands völlig fremd waren, bis man ihr das System aus Adressierung und Frankierung mit Geduld und Nachsicht näher brachte. „Hat bislang immer nur SMS verschickt“, erklärt Wabble das Offensichtliche.

Nanni hat eine weitaus bessere Geschichte auf Lager. Ihre Praktikantin sollte Blumenkästen befüllen und Topfpflanzen in feuchte Erde setzen. Kaum hatte Nanni sich abgewandt, füllte das gute Kind beflissen die Blumenerde ins nächstbeste Waschbecken, um sie dort geziemend zu befeuchten. Da war hinterher ganz schön was sauber zu machen. „Kein Wunder, dass die Generation Praktikum über Gelegenheitsarbeiten nicht hinaus kommt“, dröhnt Strunk. „Vorsicht!“, warnt Geierschnabel. „Das ist doch bei uns nicht anders.“ Strunk lässt sich nicht beirren: „Aber wir könnten, wenn wir wollten.“

Der immer geistesabwesende Klumpe, nach drei Tassen Kaffee und einer Behandlung mit dem Defibrillator auch wieder zur Beteiligung am Gespräch befähigt, ist an derlei tiefgehenden Debatten nicht die Spur interessiert. „Könnt ihr nicht mal was anderes aufs Tapet bringen?“, beklagt er sich mit viel Weh in der Stimme. „Aufs Toupet bringen?“, fragt Strunk, bei dem man nie weiß, ob er seiner Vorliebe für knatternde Zweiräder einen Hörschaden verdankt oder ob er diesen nur simuliert. „Das wird mir hier zu haarig“, grunzt Geierschnabel.

Eigentlich wäre jetzt Droll mit einer gepfefferten Bemerkung an der Reihe, um dem anderen die letzte Pointe zu versalzen. Doch der freche Wicht ist abgelenkt. Er schielt über seine Brille in Richtung Wabble und verfolgt lauernd, als sähe er’s zum ersten Male, wie der seinen mexikanischen Feuertopf in sich hineinschaufelt und zugleich noch die übrig gebliebenen Pommes seiner Nachbarin und andere Essensreste vertilgt. Bewundernd kommentiert Droll: „Achtmal löffeln, einmal durchwischen, fertig. Wenn’s hoch kommt.“ Wabble bringt trotz geblähter Backen noch eine Riposte zustande: „Ich hoffe sehr, dass es nicht wieder hochkommt.“ Denn siehe: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie faseln sinnlos daher – und die Mensa ernährt sie doch.