Hackfleisch für die Taliban

Jetzt schlägt die Bundeswehr zurück: die neue Charme-Offensive am Hindukusch

Die Bundeswehr soll mit ihrer neuen Offensive „die Herzen der Menschen gewinnen“

Der gepanzerte Dingo der Bundeswehr rollt im Schritttempo durch die belebte Hauptstraße von Zaranj, einer südafghanischen Stadt nahe der iranischen Grenze. Über die am Dach angebrachten Lautsprecher scheppert der neueste Hit von Xavier Naidoo. Ältere Afghanen bleiben stehen und schütteln verwundert den Kopf, während Kinder und Jugendliche begeistert das Tarnfarbenfahrzeug der komischen Bleichgesichter umringen. Denn hier gibt es nicht nur Musik aus dem fernen Deutschland, sondern auch Schokoriegel und vor allem Gummibärchen, auf die die Kleinen ganz versessen sind. „Habibo macht Kinder froh und die Taliban ebenso“, trällern sie den Werbeslogan der deutschen Süßwarenfirma nach, der an die hiesigen Verhältnisse angepasst wurde.

Jetzt klemmt sich der Obergefreite Silvio Gruschka hinter das Mikrofon. In leicht sächsisch gefärbtem Dari verkündet er den staunenden Passanten die Neueröffnung des Al-Afghani-Supermarkts im Blaukäppchenweg: „Al-Afghani-Supermarkt – das Frischeparadies für den ganzen Clan erwartet Ihren Besuch!“ Noch allerdings wirkt die Bevölkerung von der teutonischen Info-Offensive leicht überfordert. So wie jetzt zum Beispiel, als Gruschka die Afghanen mit den aktuellen Sonderangeboten bombardiert: „Müslimischungen, Hering in Tomatensoße, Hackfleisch gemischt – warum nicht einmal die Familie mit einem schönen Hackbraten verwöhnen!“

Ganz offensichtlich wird hier die Richtlinie des deutschen Verteidigungsministers Franz Josef Jung umgesetzt, wonach die Bundeswehr „die Herzen der Menschen gewinnen“ müsse. „Es geht um Information, Dialog und Transparenz auf allen Ebenen“, wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärt. Bei dem Einsatz werben laut Ministerium drei Bundeswehrsoldaten in Südafghanistan bei der Bevölkerung für mehr Akzeptanz für die internationale Schutztruppe. So sollen sie den Menschen Sinn und Zweck der Tätigkeit der Isaf-Soldaten erläutern. Die Mission soll drei bis vier Wochen dauern. Der Sprecher verweist darauf, dass Deutschland derzeit die Führung des Bereichs „operative Information“ innehat, in deren Rahmen der Einsatz erfolge. Gerade um zu verhindern, dass die Irakisierung Afghanistans voranschreite, müsse man den neuerdings verstärkt auftretenden Selbstmordattentätern mit der Informationsoffensive entgegentreten, heißt es.

Dass die Informationen der Deutschen nützlich sind, hat sich unter den Afghanen mittlerweile herumgesprochen. Denn neben den neuesten Einkaufsvorschlägen sorgen die Deutschen mit Verbrauchertipps- und tricks zum Beispiel für die Verbreitung des in Afghanistan bislang gänzlich unbekannten Mülltrennungsgedankens. Und – ganz wichtig – in dem bunten Info-Blumenstrauß finden sich immer auch lebenswichtige Warnungen vor bevorstehenden Luftangriffen oder Razzien der Isaf-Truppen.

So berichtet der Taxifahrer Ayoub Serkali begeistert, er sei durch die deutsche Aufklärungsarbeit nicht nur von den Vorteilen des gelben Sacks überzeugt worden, sondern auch noch mit dem Leben davongekommen, denn die Hochzeitsgesellschaft eines Freundes sei, genau wie von der Bundeswehr gemeldet, pünktlich von den Amerikanern angegriffen und beschossen worden. Sein Freund lebe zwar nicht mehr, dafür habe er in den Deutschen neue Freunde „fürs Leben“ gewonnen.

Die „InfoOps“ betreiben mittlerweile auch einige örtliche Radiostationen und geben Zeitungen und Zeitschriften heraus. Neuestes Projekt ist der Aufbau eines Isaf-eigenen Fernsehsenders, der die Afghanen noch wirkungsvoller mit pluralistischem Denken und dem westlichen Gesellschaftsmodell vertraut machen soll. Die Programmentwicklung ist schon weit fortgeschritten – Mitte Juni will man auf Sendung gehen. Ein Blick ins Programmschema bestärkt die Hoffnung, dass die Afghanen in Zukunft die Boden-Luft-Rakete im Keller einstauben lassen und sich lieber vor der Flimmerkiste vergnügen. Filme wie „Für eine Handvoll Dattelpalmen“, „Blutiger Mohn“ oder „Der Arzt, dem die Taliban vertrauen“ scheinen jedenfalls geeignet, dass sich noch die wildesten Krieger zu echten Couchpotatoes entwickeln könnten. Vor allem das Format „Afghanistan sucht den Super-Mullah“ könnte sich dabei als echter Straßenfeger erweisen. RÜDIGER KIND