staatsanwaltschaft
: Der Rüffel ist richtig

Mit ungewöhnlich deutlichen Worten hat Justizsenatorin von der Aue ihren Oberstaatsanwalt zurechtgewiesen. Und sie tut gut daran. Roman Reusch, Hardliner und erprobt im Umgang mit jungen Gewalttätern, hat argumentiert, seine Behörde versuche Intensivtäter mit Untersuchungshaft zu erziehen. Damit überschreitet er seine Kompetenzen: U-Haft anordnen kann nur ein Richter. Und auch der darf zu diesem Instrument nur greifen, wenn die juristischen Voraussetzungen erfüllt sind, wenn etwa Wiederholungstaten drohen.

KOMMENTAR VON ULRICH SCHULTE

Oberstaatsanwalt Reusch fuchtelt also mit einer Keule herum, von der er die Finger zu lassen hat. Es ist nicht das erste Mal, dass er sich im Ton vergreift. Im gleichen Interview redet er von „Teilen der Stadt“, in denen die „Bevölkerung fast nur aus Problemfällen besteht“. Damit diskreditiert er alle rechtschaffenen Bürger, die – ja, es soll sie noch geben! – in den sogenannten Problemkiezen leben. Gefährliche Extremfälle will Reusch so lange „wegschließen, wie es nötig ist“ – „solange uns nicht die medizinische Wissenschaft eine Möglichkeit gibt, diese ungefährlich zu machen“. Schwebt dem Staatsanwalt da die Zwangsmedikation vor? Oder gleich eine Gehirnoperation?

Natürlich ist es Unsinn, zu vermuten, die Staatsanwaltschaft breche ständig das Gesetz. Die Senatorin selbst lobt die Arbeit von Reuschs Abteilung, die 2003 eigens für Intensivtäter gegründet wurde. Aber der thesenfreudige Beamte hat eines übersehen: Spielräume bei harten Fällen auszureizen ist vielleicht Sache der Behörde, wie er argumentiert. Aber die Spielräume zu definieren ist Sache der Politik. Wenn sich ein weisungsgebundener Staatsanwalt öffentlich darüber verbreitet, welcher rechtspolitische Kurs der richtige sei, darf die Justizsenatorin nicht schweigen. Im Gegenteil: Sie muss klarmachen, wer die Deutungshoheit darüber hat – zumal die rot-rote Linie eine völlig andere ist.