Applaus für Siemens-Führung von der Börse

Die Anleger sind über die Ernennung des neuen Konzernchefs erleichtert. Auf ihn warten schwierige Aufgaben

BERLIN taz/rtr ■ Der zukünftige Siemens-Chef Peter Löscher erntet Vorschusslorbeeren bei den Anlegern. Die Aktie des von Schmiergeldskandalen erschütterten Konzerns kletterte gestern morgen an der Frankfurter Börse um bis zu 2,7 Prozent – dem höchsten Stand seit sechs Jahren. Bis zum Nachmittag sank das Papier dann wieder auf den Vortageskurs. „Das Machtvakuum ist nun endlich beendet“, begrüßte Daniela Bergdolt von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz die Entscheidung des Siemens-Aufsichtsrates.

Das Kontrollgremium hatte Löscher am Sonntag zum zukünftigen Konzernchef ernannt. Der 49-Jährige übernimmt am 1. Juli die Führung von Siemens-Chef Klaus Kleinfeld. Er ist der erste Vorstandschef in der 170-jährigen Geschichte des Konzerns, der von außen kommt. „Damit hat sich Siemens einen Outsider an Bord geholt, der auf keinen Fall mit den Affären bei Siemens in Verbindung steht“, sagte Analyst Ingo Queiser von Keppler Equities. Zuvor hatten bereits Gewerkschaftsvertreter die Ernennung Löschers begrüßt. „Jetzt besteht die Chance für einen Neuanfang bei Siemens“, sagte der bayerische IG-Metall-Chef Werner Neugebauer.

Die Höhe der verdächtigen Zahlungen im Schmiergeldskandal soll inzwischen auf bis zu drei Milliarden Euro angewachsen, meldet das Magazin Focus. Davon entfielen eine Milliarde Euro auf den Bereich Telekommunikation und zwei Milliarden auf andere Geschäftsfelder.

In der Öffentlichkeit, aber auch unter Analysten, ist der gebürtige Österreicher Löscher bisher kaum bekannt. „Löscher hat einen guten industriellen Hintergrund, er kommt aus der Gesundheitsbranche und hat die Chance, das Unternehmen erfolgreich nach vorne zu bringen“, sagte Analyst Roland Pitz von der HypoVereinsbank. Der neue Siemens-Chef ist international erfahren und arbeitete in der Vergangenheit für verschiedene Großkonzerne, darunter Hoechst, Aventis und General Electric, dem Hauptkonkurrenten von Siemens.

Sein angelsächsisch geprägter beruflicher Hintergrund könnte sich für Siemens auch im Umgang mit der US-Börsenaufsicht SEC als nützlich erweisen. Die SEC-Untersuchung der Korruptionsaffären ist für Siemens brisant, weil sie die Existenz des Konzerns bedrohen könnte. Als Vorstand beim US-Pharmakonzern Merck, für den Löscher seit einem Jahr arbeitet, verfügt er auch über direkte Erfahrungen im Umgang mit der SEC.

Löscher, der als zielgerichtet und bodenständig beschrieben wird, muss sich in kurzer Zeit eine eigene Hausmacht aufbauen. Allerdings könnten ihm fehlende Kenntnisse des komplizierten Siemens-Reiches die Aufgabe erschweren. Zudem fehlen ihm in wichtigen Geschäftsfeldern wie dem Kraftwerksbau oder Infrastrukturprojekten die Erfahrungen. Experte ist der studierte Betriebswirt vor allem im Gesundheitsbereich, der nur eines von insgesamt zehn Geschäftsbereichen darstellt. Löscher besitze jedoch „breite Erfahrung in der Strategieentwicklung, in Finanzmarktfragen und Technologieunternehmen“, sagte Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme. TARIK AHMIA