Bremer Grüne proben den Normalfall

Von wegen rot-grünes Projekt – eine „Regierung wie jede andere“ will die grüne Wahlsiegerin Karoline Linnert

BREMEN taz ■ Mit pragmatischen Vorstellungen gehen die Bremer Grünen in die Koalitionsverhandlungen mit der SPD. Ziel sei „eine Koalition der Vernunft“, die im überschuldeten Kleinstaat „eine Stimmung erzeugt, aus der heraus die Menschen Lust haben, mit uns an Lösungen zu arbeiten“, sagte die grüne Wahlsiegerin Karoline Linnert der taz. Schwärmereien vom „rot-grünen Projekt“ erteilte sie eine Absage: „Das wird eine Regierung wie jede andere auch.“

Das offensive Auftreten der Grünen in den Sondierungsgesprächen mit der SPD hatte vergangene Woche für Verwunderung gesorgt. „Nassforsch waren wir nicht“, sagte Linnert. Man sei aber „selbstbewusst“ in die Gespräche gegangen, „weil eine gemeinsame Regierung nur klappt, wenn keiner den anderen in die Pfanne haut“. Das scheint auch die SPD überzeugt zu haben: Eine entsprechende Vorentscheidung gab das Parteipräsidium am Sonntag bekannt. Zeitgleich kündigte die CDU den Sozialdemokraten nach zwölf Jahren Koalition die Freundschaft. Die SPD war am 13. Mai mit knapp 37 Prozent erneut stärkste Kraft in Bremen geworden, hatte aber 5,5 Prozentpunkte im Vergleich zu 2003 eingebüßt. Die Grünen dagegen erreichten mit 16 Prozent das beste von ihrer Partei jemals bei einer Landtagswahl erzielte Ergebnis. Donnerstag entscheiden die Landesparteitage über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. Nach dem CDU-Rückzug sind größere Kontroversen darüber selbst bei der SPD nicht zu erwarten. Die Verhandlungen sollen erst nach Pfingsten beginnen.

Bundespolitische Auswirkungen hätte eine rot-grüne Koalition in Bremen über den Bundesrat: In der Länderkammer verfügt die große Koalition aus CDU und SPD bislang über eine Zweidrittelmehrheit. Benötigt wird diese insbesondere für die zweite Stufe der Föderalismusreform. Gegen die drei Stimmen des kleinsten Bundeslandes wären aber auch mehrere von Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorgeschlagene Sicherheitsgesetze nicht durchsetzbar, weil sie Änderungen des Grundgesetzes erfordern: Unter anderem gilt das für die geplanten Inlandseinsätze der Bundeswehr oder für die beabsichtigte Online-Durchsuchung von Computern. Er könne sich nicht vorstellen, dass die Grünen sich auf eine pauschale Zustimmungspflicht zu allen Projekten der großen Koalition in Berlin einlassen, sagt der Bremer Grünen-Politiker Matthias Güldner.

In einer Regierung würden die Grünen voraussichtlich zwei von sieben Senatorenposten erhalten. Dabei gilt Linnert als Favoritin fürs Finanzressort: In der bisherigen Bürgerschaft war sie Vorsitzende des Haushaltsausschusses. Benno Schirrmeister

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