: Einmal quer durch die Generation
Ihre Protagonisten verzweifeln am Leben, am Sterben, am Schreiben – aber umwerfend: Svenja Leiber und Thomas Pletzinger sind zwei der Autoren, die auf dem LAN-Festival im Hebbel am Ufer hören lassen, was sich tut in der jungen deutschen Literatur
24. 5., 19.30 Uhr, HAU 2Es lesen: Svenja Leiber, Finn-Ole Heinrich, Ann Cotten, Thomas Pletzinger, Uljana Wolf, Kevin Vennemann. Musik von: Crazy for Jane, Bernadette La Hengst, Knarf Rellöm 25. 5., 19.30 Uhr, HAU 2 Es lesen: Melanie Arns, Antje Ravic Strubel, Kirsten Fuchs, Anja Utler, Steffen Popp, Sasa Stanisic. Musik von: Kat Frankie, Freddy Fischer’s Cosmic Rocktime Band, Britta 26. 5., 19.30 Uhr, HAU 2 Es lesen: Tilman Rammstedt, Monika Rinck, Daniel Falb, Greta Granderath, Clemens Meyer, Jörg Albrecht. Musik von: Jan Böttcher (Herr Nilsson), Post Holocaust Pop, Masha Qrella Info: www.lan-festival.de
VON WIEBKE POROMBKA
Nichts ist in der Schwemme der Literaturevents so überflüssig wie noch ein neues Event. Aber nichts sehnt man in der Schwemme der Literaturevents auch mehr herbei als ein Event, bei dem eine Publikumsfreundlichkeit nicht verhindert, worauf es doch eigentlich ankommt: nicht auf Masse und große Namen, sondern auf gute Autoren, gute Bücher und eben eine unterhaltsame Präsentation.
Ob den Machern des LAN-Festivals, das morgen Abend an den Start geht, dieses Kunststück gelingt, wird man erst am Ende entscheiden können. Das Programm jedenfalls lässt hoffen. Eingeladen wurde so ziemlich alles, was unter den jungen Literaten Rang und Namen hat: Kevin Vennemann zum Beispiel. Sein zweiter Roman „Mara Kogoj“ ist gerade bei Suhrkamp erschienen und wurde von der Kritik gerade dafür gerühmt, dass er sich nicht einfach so weglesen lässt. Oder Daniel Falb, dessen Gedichte mit einer eigenwilligen Mischung aus Sachlichkeit und Ironie an der Oberfläche der Welt kratzen.
Neben Literatur wird es jede Menge Musik geben. Man wolle nämlich nicht nur den Trends der Literatur nachspüren, erzählt Jan Böttcher vom kooklabel, das das Festival gemeinsam mit den Zeitschriften Edit und Gold organisiert. Herauskommen soll so etwas wie die genreübergreifende Werkschau einer Generation. Gerade auch Autoren, die bisher nur Insidern ein Begriff sind, sollen zum Zug kommen. Oder solche, deren Texte auf den ersten Blick weder hip urban noch geradeheraus „jung“ daherkommen.
Wie die von Svenja Leiber, Jahrgang 1975, die am Eröffnungsabend ihr aktuelles Roman-Projekt vorstellt. Wenn man Leiber auf ihre erste Veröffentlichung, den vor zwei Jahren erschienenen Erzählungsband „Büchsenlicht“ anspricht, lacht sie verschmitzt. Eigentlich sei es ja nur eine fixe Idee gewesen, einfach mal eine Geschichte zu schreiben und damit am Literaturwettbewerb Prenzlauer Berg teilzunehmen. Dass sie dann nicht nur die Konkurrenz ausgestochen, sondern auch prompt vom Ammann Verlag das Angebot bekommen hat, einen ganzen Band zu machen, kommt Leiber auch heute noch wie ein großes Glück vor. „Ich musste mich dann erst mal hinsetzen und etwas schreiben“, erzählt sie – gab es doch bis dahin nur diese Geschichte über Holm, einen verhuschten jungen Mann, der manisch Klarinette spielt, um seine Angst vorm Leben zu ertragen. Am Ende macht er das, was die argwöhnischen Dorfbewohner schon geahnt haben wollen: Er brennt sein Haus ab.
Die Kritiken, die die studierte Germanistin und Kunsthistorikerin für ihre Erzählungen über die brutale Tristesse des Dorflebens bekommen hat, waren ein Jubelchor. Und das zu Recht. Die lakonische Poesie, mit der Leiber ihren lehmschweren Figuren Leben einhaucht und sie dabei nie denunziert, ist umwerfend. Deshalb ist es mehr als nur eine Verkettung glücklicher Umstände, dass Leiber jetzt an ihrem ersten Roman schreibt. Aufregend findet sie es, daraus vor Publikum zu lesen. Schließlich sei die neue Geschichte noch ganz frisch. Wieder geht es um einen dieser wunderbar traurigen Menschen, der diesmal aber den Schritt hinauswagt aus dem Gewohnten: Loebell reist nach Russland und findet dort anstelle von Liebe und Glück eine eigenartige Philosophie über das Sterben.
Auch in den Texten von Thomas Pletzinger, wie Leiber 1975 geboren, wird immer wieder über das Sterben nachgedacht. Um den Tod des verhassten Vaters geht es zum Beispiel in der Erzählung „Fiedler fröhlicher Wandersmann, Fiedler Schweineschlächter“. Während der Sohn als eine Art letzte Abrechnung das Haus seiner Kindheit durchmisst, verwandelt er sich mehr und mehr in den Verstorbenen. In einer anderen Erzählung ist es das Wissen um den eigenen Tod, das einen alten Mann in der Nacht vor der Amputation seines schon leblosen Beines mit aller Kraft gegen den körperlichen Verfall rebellieren lässt.
Für Pletzingers ersten Roman, der im Frühjahr 2008 bei Kiepenheuer & Witsch erscheinen wird, spielt das Thema Tod eine eher kuriose Nebenrolle. Die meiste Zeit schreibe er in der Leipziger Albertina-Bibliothek, erzählt Pletzinger. Abteilung Suizid und Sterbehilfe. „Keine Ahnung, warum ich mir ausgerechnet diesen Platz ausgesucht habe“, grinst er und zuckt die Schultern. Wie in Leibers Debüt handelt auch die Geschichte des jungen Journalisten Daniel Mandelkern von einer Reise, deren ursprünglicher Plan auf den Kopf gestellt wird. Was als Auftragsreise für eine Zeitung beginnt, ist für Mandelkern bald vor allem Anlass, über sein Leben und Schreiben nachzudenken. Dass auch Pletzinger selbst sich mit dem eigenen Schreiben auseinandersetzt, merkt man schnell. Er erzählt unprätentiös darüber. „Kein Zuckerschlecken, so einen Roman zu schreiben“, sagt er und lacht jetzt richtig laut.
Das weiß Pletzinger nicht erst, seit er selber auf Seiten der Schreibenden steht. Bevor er sein Studium am Leipziger Literaturinstitut begonnen hat, hat er für verschiedene Verlage und Literaturagenturen gearbeitet. „Spätestens danach ist es vorbei gewesen mit der Idee vom genialen Poeten, dem es einfach so aufs Papier fließt.“ Heißt das, dass er kalkuliert schreibt, in Richtung Marktförmigkeit? Pletzinger findet so eine Frage nicht unangenehm, trotzdem muss er kurz überlegen. Natürlich sei es wichtig, dass man weiß, was man erzählen will. Und genauso wichtig sei, dass man weiß, wie man das erzählt. Wirklich entscheidend aber sei, dass man sich ein Netzwerk von Leuten aufbaut, mit denen man sich immer über die eigenen Texte auseinandersetzen kann. Literatur ist eben nichts, was nur allein im stillen Kämmerlein stattfinden sollte. Das lernt man von Pletzinger allein und hoffentlich auch vom LAN-Festival als Ganzem.
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