Atomkrieg in der Saharawüste

Überfallene Bergbaufirmen, verminte Sandpisten: In Nigers Uranbergbaugebieten meldet sich eine neue bewaffnete Rebellion der Tuareg-Nomaden zu Wort

BRÜSSEL taz ■ Es war ein klassischer Wüstenüberfall. Zwanzig Bewaffnete rückten in Imamouren in Nigers Saharawüste in ein Lager eines französischen Bergbaukonzerns ein, stahlen Mobiltelefone und Autos und töteten einen Soldaten. Banditentum ist in Mauretanien, Mali, Niger und Tschad keine Seltenheit. Aber dieser Vorfall am 20. April war etwas Besonderes: er traf das französische Uranunternehmen Areva, und für den Angriff 85 Kilometer südlich der Uranbergbaustadt Arlit übernahm eine „Mouvement des Nigériens pour la Justice“ (MNJ) die Verantwortung. Sie sagte, die Tuareg-Nomaden im Norden Nigers seien weiterhin benachteiligt. Die Friedensabkommen der 90er-Jahre, die die letzte Tuareg-Revolte beendeten, würden nicht umgesetzt, die Bevorzugung der lokalen Bevölkerung bei Arbeitsplätzen im Bergbau finde nicht statt.

Die Aufregung in Niger war groß, denn Nigers Regierung setzt auf Uran, um das bitterarme Land wirtschaftlich voranzubringen. Niger ist neben Namibia Afrikas wichtigstes Förderland des für Atomkraftwerke und Atombomben verwendeten Erzes und hofft, seine Produktion bis 2010 von derzeit 3.500 Tonnen jährlich auf über 10.000 zu steigern. Dann wäre Niger der größte Uranförderer der Welt neben Kanada. Uran ist derzeit wegen gigantischer Preissteigerungen eines der attraktivsten Produkte des globalen Bergbaus.

Niger liefert schon heute 13 Prozent der Uranimporte der EU. Kanadische Bergbaufirmen haben kürzlich eine Reihe von Explorationsverträgen für Uran in Niger unterschrieben, nach der chinesischen CNNC (China National Nuclear Corporation) und Unternehmen aus Indien und Großbritannien. Neben Uran enthält Nigers Wüste auch Öl und seltene Metalle. Doch wegen der jüngsten Terroranschläge in Algerien, der Bildung eines „Al-Qaida-Maghreb“ und diverser Rebellenaktivitäten in den Staaten des Sahel gilt die gesamte Region als potenziell instabil.

Der Überfall von Imamouren war kein Einzelfall. In der Region haben Rebellen die Sandpisten vermint. Ein Autokonvoi des Generalstabschefs Moumouni Boureima fuhr dort auf Minen und ein Fahrzeug explodierte. Insgesamt spricht Nigers Regierung von 17 getöteten Soldaten seit den ersten Rebellenangriffen im Februar. Die MNJ soll auch für einen Überfall in Mali am 10. Mai verantwortlich sein. Diese Woche meldeten nigrische Medien, dass Regierungssoldaten an die Rebellen überlaufen. Gestern stellte als erstes Hilfswerk das irische Rote Kreuz seine Aktivitäten im Norden Nigers ein, wegen der vielen verminten Straßen.

Aber die Regierung antwortet bisher mit Repression. Regierungssprecher Mohamed Ben Omar sagte am 8. Mai bei einem Besuch in Brüssel, es gebe in der Tuareg-Region gar keine Rebellion, sondern nur „bewaffnete Banditen“, die Drogen schmuggelten. Die Situation sei unter Kontrolle, die Bergbaufirmen könnten in aller Ruhe weiterarbeiten. Es sei außerdem falsch, zu sagen, die Bewohner des uranreichen Nordens Nigers seien ärmer als der Rest des Landes: Woanders leide die Bevölkerung unter „denselben Entbehrungen“. Dann zeigte er ein Video mit Haufen von Raketen, automatischen Gewehren und Drogen, die die Armee angeblich den „Banditen“ abgenommen haben.

FRANÇOIS MISSER