Der zu Tränen zerknirschte Radsprinter

Erik Zabel hätte die Dopingbeichte fast so tränenreich hinbekommen wie einst Richard Virenque. In einem wahren Heulkrampf wand sich der Franzose nach dem Festina-Skandal im Jahre 1998 und bekannte seine schlimmen Taten. Die Radsportfreunde im Land der Tour waren begeistert von der Offenheit ihres Pedaleurs. Sie verziehen ihm prompt alle Schandtaten. Das dürfte in Deutschland jetzt nicht anders laufen. Angetan lauschte man den live im Fernsehen übertragenen Worten Zabels. Er entschuldige sich bei allen, dass er sie angelogen und betrogen habe, sagte er auf dem Podium der vom Team T-Mobile anberaumten Pressekonferenz – daneben Rolf Aldag, der sein Geständnis professionell-kühl abspulte.

Bei Zabel indes schwangen Emotionen mit. Ihm wollte man glauben, dass er seit 1996, als er sich einmalig einer Epo-Kur unterzogen haben will, sauber geradelt ist. Dass er Skrupel hat, wenn es darum geht, was er seinem radsportvernarrten Sohn raten soll: eine Karriere im Profiradsport oder doch besser nicht. Radsportler sind in den Jahren beharrlichen Lügens ja zu Schauspielern und Medienprofis gereift, aber Zabel wirkte bei seiner Beichte authentisch: der ehrliche Ete – wie sein Spitzname lautet.

Zabel ist ein Radsportbesessener. „Radsport ist meine Passion“, hat er im Juni 2005 im Gespräch mit der taz gesagt, am Rande der Deutschland-Tour. Der so erfolgreiche Sprinter des Teams Telekom flachste damals mit Rolf Aldag, der mit Mechanikern am Rad schraubte. Er sah darüber hinweg, wie ein völlig betrunkener Olaf Ludwig, damals Pressechef des Teams, ihm lallend irgendwelchen Blödsinn ins Ohr flüsterte. Über Doping sprach er damals nicht, dabei wäre es mehr als angebracht gewesen. Es war der Tag, an dem der französische Radfahrer Fabrice Salanson, 23, Teilnehmer der Deutschland-Tour, nachts ganz still in seinem Bett gestorben war. Vermutliche Todesursache: Blutverklumpung durch Epo-Doping. Erik Zabel hätte damals schon sprechen sollen. Nun gut, es war eine andere Zeit, eine Ära, in der Zabel etliche Erfolge erradelte.

Er war der Sprinter, der vorzugsweise bei Mailand–San Remo, seinem Lieblingsrennen, siegte. Der Berliner schlüpfte auch ein paar Mal ins Grüne Trikot bei der Tour de France, weil er der Beste bei Massenankünften war und sich tapfer über die Gipfel der Pyrenäen und Alpen gekämpft hatte. Zabel legte dabei nicht viel Wert auf Training, er fuhr lieber Rennen, manchmal 300 Tage im Jahr. Damit muss es jetzt nicht vorbei sein. Erik Zabel, der momentan beim Team Milram beschäftigt ist, dürfte nach seinem rührenden Auftritt in Bonn unter eine Generalamnestie fallen. MARKUS VÖLKER