BERLINER PLATTEN
: Punk ist nicht tot

Allzu lange wurde nicht um die Terrorgruppe getrauert. Nach dem Ausstieg von Sänger Archie Alert trugen die restlichen drei Viertel die Mutter aller Kreuzberger Punkbands nach zwölf Jahren zu Grabe. Aus der Asche erstiegen The Bottrops, benannt nach dem Gitarristen Johnny Bottrop, der zusammen mit Bassist Slash Viscious die Ex-Terror-Fraktion bildet, ergänzt von Cris Crise am Schlagzeug und einem Herrn mit dem schönen Namen Bang Bang Benno am Mikrofon. Der hat früher einmal bei einer Band namens Xarecrows gesungen und gibt auf seiner Myspace-Seite als Beruf „Punkrocker“ an.

Es ist also klar, was einen erwartet auf dem Debutalbum „The Bottrops“: Vornehmlich geradeaus gespielter, mit den gleich im Eröffnungssong angepriesenen „4 Akkorden“ ausgestatteter Punkrock. Der ist zwar bei weitem nicht so ironisch und albern wie der der Terrorgruppe, aber doch immerhin einigermaßen zeitgemäß. So zeitgemäß jedenfalls, wie man Punkrock heute noch spielen kann: spartanisch, ohne großes Pathos. Zu ehrlichen, nicht allzu stark verzerrten Gitarren und in einem meistenteils flotten [4]/4-Takt werden einige der klassischen Thematiken des Genres abgearbeitet: In „Unterhund“ wird das Underdog-Dasein gefeiert und in „Kleingarten BRD“ die deutsche Gartenzwerg-Mentalität beklagt, in „Reduziert“ die Konsumgesellschaft angegriffen und in „Nicht wie im Fernsehen“ Medienkritik betrieben. Mit „Von A–Z“ gibt es, auch das klassisch Punk, einen Song im Reggae-Offbeat. Und schließlich ist auch der Dumpingpreis von „The Bottrops“ reiner Punkrock: Ein ganzes Album zum Preis einer Single, das ist, verkündet die Band, „wie ’ne Neueröffnung von China-Imbiss, Pizza-Service oder Döner-Bude“.

Wie eine Antithese zu den Bottrops wirken Rich and Kool. Statt in Kreuzberg treibt man sich eher in den angesagten Bezirken des neuen Berlin herum, arbeitet an der Schnittstelle zwischen Electronica und Rock, wird auffällig mit Remixen für solche Promis wie Bloc Party und gibt sich alle Mühe, den vakanten Thron der Berlin Mitte Boys zu erklimmen. Auf den zweiten Blick aber ist man gar nicht so weit von den Punkrockbewahrern entfernt. Nicht nur, dass sich der Nukleus der Band, Rob D. Rich und Serge Kool, angeblich in einer Ostberliner Eckkneipe kennen gelernt hat, auch musikalisch ist das Debüt-Album „Back To You“ dann doch ziemlich punkig geraten. Immer wieder schneiden Gitarren durch die Songs, quietschen fiese Störgeräusche und muss diese Musik schlussendlich zugeben, dass Punk musikalisch vielleicht ausgedient, aber zumindest die Attitüde bis heute nichts von ihrem Reiz verloren hat.

Ohne Sänger Rich firmiert der Rest des Quartetts als Nachlader. So verwegen wie deren Electro-Clash, der im vergangenen Jahr einiges an Aufsehen erregte, gerät „Back To You“ allerdings nur ziemlich selten. Meistens hat man es halt doch mit recht konventioneller Rockmusik zu tun, aufgemotzt mit Beats aus dem Computer und fantasievollen Samples. Punk ist nicht tot und Rock wird wohl auch niemals sterben. THOMAS WINKLER

Rich and Kool: „Back to You“ (Noise-o-lution/ Indigo), live am 31. 5. im Bassy

The Bottrops: „s/t“ (Destiny/ SPV), live am 27. 5. im Kato