Untauglicher Versuch

Scharfe Kritik am Entwurf des Anti-Doping-Gesetzes. Politiker und Sportfunktionäre fordern Strafbarkeit

BERLIN taz ■ Am Tag des spektakulären Doppelgeständnisses der ehemaligen Telekom-Profis Rolf Aldag und Erik Zabel sollte im Bundestag das so lange herbeigeschriene Antidopinggesetz verabschiedet werden. So sah es der ursprüngliche Fahrplan vor, aber daraus ist nichts geworden. Der Bundesrat hatte derartig viele Einwände gegen den Entwurf der Bundesregierung, dass das Papier erst einmal auf Eis gelegt worden ist.

Für Winfried Hermann, den sportpolitischen Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, sind die Äußerungen von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), der nun eine schnelle Verabschiedung fordert, nicht nachzuvollziehen. Schon vor einem knappen Jahr, als die spanische Blutdopingaffäre die Schlagzeilen bestimmte, sei das Geschrei groß gewesen, sagt er. Passiert ist seitdem wenig. Die Äußerungen Schäubles, der sich über die „mafiösen Netzwerke“ im Radsport echauffiert hatte, bezeichnete Hermann der taz gegenüber als „geheucheltes Entsetzen“.

Der Gesetzentwurf sei nicht viel mehr als eine sachte Erweiterung des Arzneimittelgesetzes, das bislang schon die Weitergabe von Medikamenten zum Zwecke der Leistungsmanipulation unter Strafe stellt. Hermann befürchtet, dass sich die neuen Regelungen als ebenso zahnlos erweisen wie das alte Arzneimittelgesetz. Zwar soll nun auch der Besitz von „nicht geringen“ Mengen an Dopingmitteln unter Strafe stehen, und die Strafen für organisierten Handel mit Dopingmitteln sollen erhöht werden. Doch die Sportler könnten nach wie vor davon ausgehen, so Hermann, dass sie sich für ihre Dopingsünden nicht vor ordentlichen Gerichten rechtfertigen müssen.

„Das ist doch genau das, was sie wollten, nämlich gar nichts“, so Hermann zur taz. An den Geständnissen von Aldag und Zabel habe man doch gesehen, dass sie immer nur mit der jeweils benötigten Menge an Präparaten hantiert hätten.

Auch der Vizepräsident des Internationalen Leichtathletikverbandes IAAF, Helmut Digel, sieht im Regierungsentwurf kein „echtes Antidopinggesetz“. Er sähe es lieber, so sagte er im taz-Interview (siehe Leibesübungen, Seite 23), wenn es eine Strafandrohung auch schon beim Besitz „kleinster Mengen“ gäbe. Auch Digel beklagt die „Heuchelei“ der Politiker, die sich jetzt ach so erschüttert zeigten. Sie hätten es jahrzehntelang verabsäumt, zu handeln.

Auch der bayerischen Justizministerin Beate Merk (CSU) geht der Gesetzentwurf nicht weit genug. Um auch Sportler, deren Vergehen noch nicht verjährt sind, zum Reden zu bringen, forderte sie eine Kronzeugenregelung. Noch weiter geht in dieser Hinsicht der sportpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Danckert. Er forderte eine Amnestie für geständige Manipulateure.

Winfried Hermann findet das „völlig daneben“. Solange die Sportler nicht mit einer Bestrafung rechnen müssten, brauche man ihnen auch keine Amnestie anzubieten. Die Position der Grünen geht ohnehin weit über den vorgestellten Entwurf hinaus. Sie setzen sich für die Einführung eines Straftatbestands Sportbetrug ein und setzen auf die Abschreckungswirkung. Nur so sei der Manipulation gerade im kommerzialisierten Sport Herr zu werden. ANDREAS RÜTTENAUER