„Personelle Querelen“ und „DKP-Eskapaden“

Fünf Stunden lang hatte die Parteitagsregie der Linken alles im Griff – und dann hatte die Basis plötzlich das Wort: Während die einen mehr Parteidisziplin fordern, sehen sich andere zu „Zuschauern“ in der eigenen Partei degradiert

Es war der zweite Parteitag der Bremer „Die Linke“, gut 60 stimmberechtigte Delegierte waren am Sonntag ins Konsul-Hackfeld-Haus gekommen, ebenso viele interessierte Mitglieder. Immerhin war Bremen die erste Landtagsfraktion „im Westen“ gewesen, sie hatte den ersten Wahlerfolg nach der Gründungsfusion von PDS und WASG eingefahren. Was tut eine Partei, nachdem sie so viel Erfolg hat? Ganz einfach: Sie geht zur Tagesordnung über. Sie hört Grußadressen an und wählt. Delegierte, Ersatzdelegierte. Business as usual.

Die meisten der Reden, mit denen sich interessierte Mitglieder der Versammlung als die Bremer Vertreter für den Bundesparteitag der Linkspartei vorstellten, waren herzlich unpolitisch. Offenbar geht man davon aus, dass alle im Saal vorher wissen, wen sie wählen. Einer bekannte sich sogar zum „imperativen Mandat“ für den Fall, dass er zum Parteitag fahren darf – als wolle er damit sagen, dass es doch egal ist, wer da den Finger hebt an der richtigen, vorher beschlossenen Stelle. Einer der Sprecher der Bremer Linkspartei, Michael Lassowski, nannte es „peinlich“ , dass es beim Gründungsparteitag und der Fusion von PDS und WASG eine Gegenstimme gegeben habe und die ausgerechnet aus Bremen gekommen sei. „Parteidisziplin!“ ruft jemand ironisch dazwischen. Am Ende werden, sagen Insider, fünf aus der alten PDS gewählt, nur eine von sechs Delegierten kommt aus der WASG.

Dass es gärt in der jungen Partei, wurde vor allem durch Zwischenrufe deutlich. „Heuchelei“ schallte es beim Stichwort „innerparteiliche Demokratie“ dem Bremer Landesvorstandssprecher Axel Troost entgegen. Während des Grußwortes des Bundesvorstandsmitgliedes Bodo Ramelow wurde sogar ein Protestplakat „bodo go home“ entrollt, das auf die Intervention der Berliner Zentrale anspielte. Ansonsten erträgt die Parteibasis die Regie des Parteitages.

Nach fünf Stunden Parteitag ist die Fraktion mit ihrem Rechenschaftsbericht dran, Peter Erlanson deutete an, dass es „personelle Querelen“, gegeben habe, die von der Presse ausgeschlachtet worden seien, bevor die sich auf die „DKP-Eskapaden“ stürzen konnte. „Auch Unruhe in den eigenen Reihen“ gebe es, räumt Erlansson ein – und belässt es bei dieser Anspielung.

Dann ist endlich Zeit für die Generalaussprache. Claudia Bernhard hat das Wort. „Diese Parteibasis beweist Leidensfähigkeit“, sagt sie – unvorstellbar sei, „wie viel unter den Teppich gekehrt wird“. Es gebe eine „große Enttäuschung“. Der Landesvorsitzende Axel Troost habe das Wort „Transparenz“ in den Mund genommen – „das ist das Letzte, was hier passiert“. Und den aus Berlin importieren „drittklassigen Chauvinismus“ – das geht an die Adresse von Ramelow – den „brauchen wir hier nicht“. Frauenpolitisch habe die Partei „nichts auf der Pfanne“.

Es gärt an der Basis auch wegen der Art, in der mit dem rausgeschmissenen Geschäftsführer Manfred Steglich umgegangen worden ist. „Es reicht, wenn man jemanden entlässt“, sagt Bernhard, „man muss nicht noch drüber fahren und ihn dann an die Wand nageln“.

Dann kommt Sönke Hundt, früher Professor an der Hochschule Bremen, Mitgründer der WASG. Claudia Bernhard habe „den Nagel auf den Kopf getroffen“, sagt er. Es gebe eine „tiefe Krise“ in der Partei, und da kommt der Ramelow aus Berlin und halte eine halbstündige „Wahlkampfrede“. Die Linke wolle keine „Zuschauerpartei in einer Zuschauerdemokratie“ sein, sondern eine „Beteiligungspartei in einer Beteiligungsdemokratie“. Es sei „stillos, wie wir damit als Partei umgegangen sind“, sagt ein anderer Delegierter zu dem Geschäftsführer-Rausschmiss.

Axel Troost, der Landesvorsitzende, muss die Wogen glätten. „Von allen Seiten sind viele Fehler gemacht worden“, sagt er, nun gehe es um einem „gemeinsamen Neuanfang“. Man wolle doch bitteschön „gemeinsam nach vorne schauen“. Und das geht, sagt Troost, über eine „Stärkung der Kreisverbände“, die sollen sich „mit inhaltlichen Themen“ befassen. Ein „absoluter Schwerpunkt“ müsse die geplante „Armutskonferenz“ sein.

Wegen der fortgeschrittenen Zeit wurde die Befassung der inhaltlichen Anträge auf den 9. März vertagt. kawe