Wozu über Schnitzel schreiben?

Zum Ende der „Gastro- und Gesellschaftskritik“: Jan Feddersen über Currywurst, Einstein, McDonald’s, Austria und sein Wirken zwischen Siebeck und Dollase

JAN FEDDERSEN war erster Gastro- und Gesellschaftskritiker der taz. Er schrieb von 2004 bis 2006 53 Restaurantkritiken.

Es ermüdet, Woche für Woche Gastronomisches beurteilen zu müssen. Was zunächst die gleiche Freude ist wie die von RichterInnen, ein Vergnügen an Macht, ihrer Ausübung, also an gesenktem oder hochgerecktem Daumen, verflüchtigt sich. Was soll man auch schreiben über Schnitzel, Moussaka, Rouladen, über Service, der Fähigkeit zum großzügigen Leitungswasserausschank? Wie soll man gerecht sein, fair bleiben, wie kann man etwas loben und preisen, anderes mäkelig abtun? Womöglich hatte der Koch, die Köchin nur einen schlechten Tag oder einen besonders guten!

Am konsequentesten kritisiert Jürgen Dollase in der FAZ Gastronomisches. Bei dem geht es zwar nicht mehr um Geschmackliches aus Kindheit und Jugend, sondern um Avantgarden und das Allerverhypteste, er schreibt nachgerade scientistisch über das Gewöhnliche, über Essen und Trinken – er ist ein Hobbyist auf hochberedter Grundlage.

Das Gegenteil ist Zeit-Kritiker Wolfram Siebeck, ein Mann, erwachsen geworden in der Bohème der späten Sechziger, ein Lump mit lächelnd-mokantem Antlitz, der im Zweifelsfall für die hohen und hochempfindlichen Nasen der Studienratsmilieus schreibt, ja, Nachrichten liefert, auf dass das Essen keine Lust mehr bereitet, sondern Connaisseursship begründet. Dazwischen … all die Blätter wie auch die taz eines ist, das seiner Leserschaft Wege durch den Alltag der Ratlosigkeiten zu schneiden sucht. Will sagen: Berlin ist unübersichtlich, irgendwie ist vieles gut, aber das Wenigste davon ist in der Mitte beheimatet.

Das Schnitzel im Einstein ist überbewertet, aber der Service ist wie eh und je super. Das beste Schnitzel gibt es im Austria am Marheinekeplatz – und die allerbesten Spaghetti in einer italienischen Lokalität, deren Adresse ich aber nicht verraten darf, weil ich dort sonst Lokalverbot verhängt bekomme. Und, aller Gastronomiekritik zum Trotz, ist McDonald’s zu loben mit den besten Burgern und dem ökologisch fairst produzierten Fleisch. Mein Patenkind hat mir Belehrungen über Lebensmittel und Gekochtes übel genommen. Mir ist mein Kleiner lieber als alle guten Speisen, die es geben könnte.

Die Gastrokritik war im Übrigen immer eine anonyme. Das war teuer, das war unfair, aber wir blieben tapfer. Lang lebe die Currywurst am Mehringdamm. Junk im Kreise gebildeten Pöbels, kein Dialog der Ketchupvarianten, sondern Schweinkram, der dem Magen schmeichelt.

Und der beste Kaffee in der ewigen Bestenliste? Nun, das gibt es ein kleines Cafélädchen unterhalb der Bernauer Straße. Ich würde immer wieder hinfinden; aber noch muss es nicht sein. Lieber, das ist meine Essenz, öfter durchschnittlich speisen und picheln – dann ist es noch schöner, per Zufall eine Sensation des Gastronomischen zu finden. Alles andere ist Angeberei. Letzter Satz: Zu Hause ist es am Schönsten. Meist.

Das aber in jeder Hinsicht.