Kunstrundgang: Harald Fricke schaut sich in den Galerien von Berlin um
Liegt es am Ärger über die Verpenntheit von Berlins Kulturpolitik? Oder am Größenwahn der Galerien? Denn während eine Kunsthalle fehlt, wachsen die privatwirtschaftlichen Ausstellungsräume gewaltig. Auch das neue Domizil von Giti Nourbakhsch an der Kurfürstenstraße hat erstaunliche Dimensionen mit gleich zwei Stockwerken.
Die alte Fabrik eignet sich hervorragend für die Gruppenausstellung „Earth?“. Filme und Zeichnungen, schön von Etage zu Etage getrennt. Nina Könnemann lässt in „Early Morning Lessons“ die Kamera aus nächster Nähe über einen geflochtenen Bastkorb gleiten, als wäre das Muster ein geometrisch konstruiertes Labyrinth. Nebenan setzt Daria Martin mit „Soft Materials“ eine atemberaubende Choreografie in Bewegung, bei der ein Tänzer und eine Tänzerin gemeinsam mit Gadgets aus der Robotik agieren.
Solchermaßen auf die Poesie von Körpersprachen eingestimmt, bestechen die getuschten Figuren von Peter Böhnisch im oberen Stockwerk durch eine Zartheit, die an die zerbrechlichen Gespensterwesen des Wiener Expressionismus erinnert. Und Gunter Reskis genau kadrierte Szenen auf dem Bahnhof könnten aus einem Film stammen, in dem oft geschwiegen und viel geraucht wird.
Für das „Kommando Friedrich Hoelderlin Berlin“ ist selbst die mächtige Halle, die Max Hetzler in den Osram-Höfen gemietet hat, nicht groß genug. Deshalb werden dort wuchtigere Formate – etwa Georg Herolds Arrangement aus Boxhandschuhen oder Werner Büttners 2,40 x 5,70 Meter messendes Triptychon „Der verrostete Himmel“ – gezeigt, während eher filigrane Zeichnungen in der Hauptgalerie zu sehen sind. Zum Beispiel Albert Oehlens ebenso frühe wie wunderbare Politpopallegorien oder Erwin Kneihsls liebevolle Trinkerbärchenbilder.
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