Flugzeugabschuss über der Ukraine

MH17 Der Kommentar von Dominic Johnson „Eine Bankrotterklärung des Westens“ und der Artikel „Kein Umdenken in Moskau“ von Klaus-Helge Donath forderten die taz-LeserInnen zum Widerspruch heraus.

■ betr.: „Eine Bankrotterklärung des Westens“, taz vom 21. 7. 14

In seinem Kommentar „Eine Bankrotterklärung des Westens“ bezeichnet Dominic Johnson den mutmaßlichen Abschuss von Flug MH17 in der Ostukraine als „Verbrechen“, als „schlimmsten Terrorakt“ und fordert, die toten Passagiere „verdienen ähnliche Solidarität“ wie die Opfer des Terroranschlags vom 11. September 2001, der „umgehend zum Nato-Bündnisfall“ erklärt wurde. Will er einen Nato-Krieg gegen die Aufständischen oder gar gegen Russland? Ist ihm nicht klar, was Präsident Bushs „Krieg gegen den Terror“ für Konsequenzen hatte? Völkerrechtswidrige Angriffe auf Afghanistan und Irak mit hunderttausenden von Toten und eine Vermehrung und Ausbreitung des Terrors? Der Krieg gegen den Irak begann mit einer Lüge – hat die EU deswegen jemals Sanktionen gegen die USA in Betracht gezogen? Angenommen, die „Separatisten“ haben Flug MH17 tatsächlich abgeschossen: Könnte es nicht sein, dass es schlicht ein Versehen war, ein Irrtum mit grässlichen Folgen? Eine tragische Verwechslung des Zivilflugzeugs mit einer Militärmaschine? Denn MH17 überflog ein Kriegsgebiet, in dem die ukrainische Luftwaffe Einsätze fliegt. Und auch nach dem Absturz der Maschine der Malaysia Airlines setzte die ukrainische Armee ihre Offensive gegen Lugansk fort – und jetzt offenbar auch gegen Donezk.

Der Bürgerkrieg in der Ostukraine mit seinen schrecklichen Folgen auch für die Zivilbevölkerung wäre im Handumdrehen beendet, wenn die Regierung in Kiew (und ihre amerikanischen Berater) das Schicksal der Ostgebiete in die Hände ihrer Bewohner legen würde: durch eine international überwachte und nach den Regeln der Kunst durchgeführte Volksabstimmung über die staatliche Zukunft der Regionen. Was gibt es demokratischeres als ein Referendum durch die Betroffenen?

WALTER RUFFLER, Bremen

■ betr.: „Eine Bankrotterklärung des Westens“, taz vom 21. 7. 14

Dieser Kommentar zur risikoreichen Situation in der Ukraine stolpert enthusiastisch in Richtung Abgrund. Mit dem Pathos der Gewissheit, er kenne die Fakten in diesem auch ideologischen Nachrichtenkrieg, feuert Johnson die Leser durch moralische Appelle an: Es sei eine „Schande“ für „die Welt“ und es ginge um die „Selbstachtung“ der westlichen Regierungen. Seine Schlussfolgerung trifft nicht zu: Die Parallele zum 11. September 2001 ist falsch, denn anders als die USA ist die Ukraine kein Mitglied der Nato. Mit dieser falschen und unhistorischen Parallele einen Einsatz der Nato in der Ukraine zu fordern, „out of area“, ist nichts anderes als eine gedankenlose Aufforderung zum großen Krieg. Wer zündelt, bedenke die Folgen.

MICHAEL HOENISCH

■ betr.: „Eine Bankrotterklärung des Westens“, taz vom 21. 7. 14

Den 11. September mit dem Abschuss des malaysischen Passagierjets zu vergleichen ist völlig verfehlt, der Abschuss war keine minutiös und von langer Hand geplante terroristische Aktion gegen die Niederlande als Symbol „westlicher“ Kultur und Wertevorstellungen. Was sollte denn die Nato jetzt nach Johnsons Vorstellungen tun? In die Ost-Ukraine einmarschieren wie in Afghanistan, im Nicht-Nato-Land Ukraine Truppen an die russische Grenze verlegen und Russland mit einem Einmarsch drohen? Wer droht, muss auch handeln. Will Johnson das? Johnson rasselt mal wieder mit Säbeln und lässt seiner – berechtigten – Wut freien Lauf, bleibt aber konkrete und klug überdachte Folgerungen schuldig. Das ist ein fahrlässiges Spiel mit Emotionen.

RALF JÖRG RABER, Essen

■ betr.: „Eine Bankrotterklärung des Westens“, taz vom 21. 7. 14

Bin sehr enttäuscht über die Aussagen eures Mitarbeiters Dominic Johnson. Durch seinen Artikel unterstützt er die amerikanische Kriegspropaganda, die auf verfälschten, erlogenen und sehr schlecht recherchierten Informationen beruht. Bitte unterstützt die anglifizierte, amerikanisierte Kriegstreiberei nicht auch noch weiter, sondern schaut euch doch erst mal alle betroffenen Seiten an, recherchiert unvoreingenommen und gebt dem Leser die Möglichkeit, sich ein wirkliches objektives Bild von der Lage zu machen. Viele Indizien weisen darauf hin, dass die Menschen durch die Nachrichten, die sie zu lesen bekommen „verschaukelt“ werden. Bitte hört auf damit, seid nicht auch noch ein Teil dieser Propagandawelle.

JAN CALLSEN, Berlin

■ betr.: „Kein Umdenken in Moskau“, taz vom 21. 7. 14

In der Schule habe ich gelernt, dass sich das journalistische Schreiben durch die Trennung von Meinung und Berichterstattung auszeichnet. Ich wäre sehr erleichtert, wenn dieser Standard gerade auch bei Themen, bei denen es um Krieg und Frieden geht, in der taz wieder eingeführt werden könnte. Wäre es möglich, dem Journalisten Klaus-Helge Donath und den verantwortlichen Redakteuren die Bedeutung dieser Grundregel deutlich zu machen? Wäre es denkbar, dass die taz eine Zeitung wird, die Verantwortung für seriöse Information übernimmt und dafür steht, die LeserInnenschaft nicht zu manipulieren?

SABINE STÖVEAND, Hamburg

■ betr.: „Eine Bankrotterklärung des Westens“, „Kein Umdenken in Moskau“, taz vom 21. 7. 14

Bei der Frage „Wem nützt es?“ darf nicht außer Acht gelassen werden, dass von einer militärischen (oder wirtschaftlichen) Auseinandersetzung zwischen EU und Russland und damit deren Schwächung die USA zumindest wirtschaftlich profitieren, was deren fehlende Deeskalationsbereitschaft erklären könnte.

Zur Aussage von Donath „Wie lange sollen die Niederländer, Briten und Polen die Russlandseligkeit der Deutschen noch ertragen“, kann ich mir nicht vorstellen, dass den Hinterbliebenen nach dem furchtbaren Flugzeugabschuss eine weitere Tragödie (Krieg zwischen EU und Russland) hilft oder dass es viele unter den bedauernswerten Opfern gibt, die es gutheißen würden, wenn ihnen dadurch „die verdiente Solidarität“ (Johnson) gezeigt würde. Welche Probleme sind durch einen Krieg verschwunden? Möglicherweise werden sie durch die per Krieg geschaffenen neuen Probleme kurzfristig in den Hintergrund gedrängt, gelöst sind sie durch den Krieg nicht. Frieden hat dann eine Chance, wenn die vorhandenen Ressourcen wenn nicht gleich, so doch zumindest fair verteilt werden. Nach einem Krieg mit all seinen fürchterlichen Zerstörungen von Infrastruktur, Menschen und Seelen wird dieses Teilen (zur Erreichung eines dauerhaften Friedens) ungleich schwerer werden. Ja, auch Deutschland kann einen Beitrag zur Befriedung leisten; aber nicht durch militärischen Einsatz, sondern durch den energischen Stopp von Waffenexporten. WALTRAUD FAASS,

Straubenhardt-Feldrennach

■ betr.: „Eine Bankrotterklärung des Westens“, taz.de vom 21. 7. 14

Wohin der „Nato-Bündnisfall“ zum 11. September geführt hat, ist hinlänglich bekannt. Mich hat diese Form der Kriegstreiberei bei der taz sehr erstaunt. TOMTOMTOM, taz.de