Haushalte verbrauchen mehr Energie

Trotz sparsamer Geräte und Wärmedämmung steigt der Energiekonsum in deutschen Wohnungen. Eine Folge der Single-Gesellschaft. Warten auf neue Technologie reicht daher nicht, sagen Experten und fordern Anreize zum Stromsparen

VON CHRISTIAN HONNENS

Die Umweltpolitiker dieser Erde kommen beim 12. Weltklimagipfel in Nairobi nur im Schneckentempo weiter. Konkrete Ergebnisse, wie der Klimawandel nachhaltig gestoppt werden kann, sind dort bisher nicht in Sicht. Grund genug für den Direktor der Internationalen Energieagentur (IEA), Claude Mandil, sich mit einer dringenden Botschaft an die Welt zu richten: „Wir können nicht noch ein Jahrzehnt abwarten und hoffen, dass die Technologien das Problem lösen werden.“

Der Appell zum Energiesparen ist nicht neu. Und besonders sexy schon gar nicht. Wie notwendig Energiesparen trotzdem ist und warum es immer wichtiger wird, zeigen gestern veröffentlichte Zahlen aus Deutschland: Trotz aller Steigerungen der Energieeffizienz bei Waschmaschine und Kühltruhe, trotz besser isolierter Wohnungen und trotz sparsamerer Automotoren – der Energieverbrauch privater Haushalte allein für Wohnen ist in den vergangenen zehn Jahren um 3,5 Prozent gestiegen. Weil die Welt so weiterhin auf trockene Sommer, verschwindende Gletscher und zerstörende Stürme hinarbeitet, forderte Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamtes (UBA): „Wir müssen in Deutschland den Energiebedarf bis 2050 halbieren.“ Vor dem Hintergrund der gestern von UBA und Statistischem Bundesamt vorgelegten Daten hält es das sogar für möglich. Aber nur wenn es auch Anreize gibt, das Konsumverhalten zu ändern.

Denn dort liegen die Gründe der erschreckenden Zahlen. Während es heute doppelt so viele Mikrowellen und Wäschetrockner gibt wie vor zehn Jahren, stieg die Zahl von Computer sogar um 213 Prozent. „Hier liegt der größte Treiber für den Energieverbrauch“, sagt Walter Radermacher vom Statistischen Bundesamt. Denn dieser Effekt macht alle Einsparungen durch effiziente Geräte kaputt. Auch die veränderten Wohnbedingungen spielen eine große Rolle. Die Zahl von Ein- und Zweipersonenhaushalten stieg in zehn Jahren jeweils um 12 Prozent. Und die Kleinhaushalte verbrauchen pro Person fast doppelt so viel Energie wie Gemeinschaften mit drei oder vier Personen. Da hilft es wenig, wenn sogar der Energieverbrauch pro Quadratmeter Wohnung sinkt, es aber immer mehr davon gibt.

Einziger Lichtblick der Studie: Die Zahlen seit 1999 zeigen, dass sich diese Entwicklung beim Energieverbrauch langfristig nicht fortsetzen dürfte. Seit die Energiepreise stetig steigen, geht der Energieverbrauch zurück. Damit sich diese Entwicklung beschleunigt, sieht Troge nicht nur den privaten Verbraucher in der Pflicht. Handlungsbedarf sieht er auch im Mietrecht. Die Politik müsse etwa dafür sorgen, dass sich die Anreize für Vermieter erhöhen, die Wohnung zu sanieren und so deren Energie-Effizienz zu erhöhen. Bisher trägt der Mieter die Kosten eines hohen Energieverbrauchs, den eine Sanierung um bis zu 60 Prozent senken könnte. Um die Vermieter dennoch dazu zu bewegen, sollten sie Sanierungs- und Modernisierungskosten, die langfristig Entlastungen der Heizungsrechnung brächten, stärker auf die Mieter umlegen können.

Auch strengere Regeln für den Stromverbrauch von Elektrogeräten können hilfreich sein. Troge schlug hier den Top-Runner-Ansatz vor: Demnach richtet sich der erlaubte Stromverbrauch an den besten Geräten vergangener Jahre. Die Industrie wäre zu schnelleren Entwicklungen gezwungen. Das Umweltbundesamt hält es dann sogar für möglich, bis 2050 den Energieverbrauch tatsächlich zu halbieren. Allerdings müssten beide – Industrie und Privathaushalte – ihre enormen Energiespar-Potenziale nutzen.