Vier Hürden

AUS FREIBURG CHRISTIAN RATH

Der erste Schritt ist getan: Die Bundespolitiker von SPD und Union haben sich auf eine – relativ großzügige – Bleiberechtsregelung für bisher nur geduldete Flüchtlinge geeinigt. Die Hälfte der rund 200.000 Ausländer, die derzeit ohne Rechtssicherheit immer nur für wenige Monate geduldet werden, könnte endlich einen festen Status bekommen. Doch noch ist dieses Projekt nicht über den Berg. An mindestens vier Hebeln könnten Gegner des Projektes ansetzen, um die geplante Regelung zu verhindern oder ins Gegenteil zu verkehren.

1. Bundesrat: Das Gesetz wird vermutlich zustimmungsbedürftig sein, weil es für die Bundesländer mit gewissen zusätzlichen Kosten für Sozialhilfe verbunden ist. Die Länder haben damit zwar ein Vetorecht, doch anders als in der Innenministerkonferenz muss nicht jedes einzelne Land zustimmen. Vielmehr genügt die einfache Mehrheit der Länderstimmen.

Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) und sein niedersächsischer Kollege Uwe Schünemann (CDU) allein können das Projekt nicht zu Fall bringen. Noch weiß niemand, wer sich ihnen anschließt. Während aber die bayerische CSU immer eine Sonderrolle hat, müssen sich die CDU-Minister überlegen, ob es ihrer Karriere dienlich ist, wenn sie ein wichtiges Projekt der Koalition sabotieren – und damit die Führungsstärke der Kanzlerin in Frage stellen.

2. Innenministerkonferenz (IMK): Weil es nun um ein Bundesgesetz geht, hat die heute beginnende IMK keine große Rolle mehr. Sie wird vermutlich vor allem der inhaltlichen Diskussion und der weiteren Kompromissfindung zwischen Union und SPD dienen. Weil ein Bleiberecht als Bundesgesetz frühestens in einigen Monaten in Kraft treten kann, wäre es sinnvoll, wenn die IMK bis dahin einen Abschiebestopp beschließt.

Darauf bestehen sollten die Befürworter aber nicht, da dieser Beschluss einstimmig gefasst werden müsste und dabei Beckstein und Schünemann neues Erpressungspotenzial erhalten. Es wäre schon viel gewonnen, wenn die gutwilligen Länder bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes einfach selbst auf Abschiebungen verzichten. Die allermeisten Geduldeten können schon aus faktischen Gründen nicht abgeschoben werden, sonst wären sie ja nicht mehr hier.

3. Gesetzgebungsverfahren im Bund: Wenn die große Koalition sich einigt, heißt das noch lange nicht, dass die Einigung auch dauerhaft akzeptiert wird, wie man bei der Gesundheitsreform gesehen hat. Auch beim Gleichbehandlungsgesetz musste die SPD im weiteren Verlauf der Union noch Zugeständnisse machen, weil die Kanzlerin ihre Basis nicht überzeugen konnte.

Umgekehrt könnte es auch Probleme in der SPD geben, wenn in das geplante ausländerrechtliche „Gesamtpaket“ noch zu viele CDU-Projekte aufgenommen werden. Pro Asyl warnt auch vor den eigenmächtigen Fachbeamten im Innenministerium: „Die könnten versuchen, den Gesetzentwurf kleinlicher zu formulieren, als er jetzt politisch geplant ist.“

4. Gesetzesanwendung in den Ländern: Die Ausländerbehörden sind Einrichtungen der Länder. Wie großzügig die Bleiberechtsregelung angewandt wird, entscheidet sich letztlich vor Ort. Die Landesinnenminister können hier über Erlasse oder auch über politische Reden die Atmosphäre wesentlich mitbestimmen.

Bereits mit dem Zuwanderungsgesetz sollten Kettenduldungen eigentlich stark reduziert werden. Doch nur das SPD-geführte Rheinland-Pfalz hat das Gesetz großzügig angewandt. Überall sonst wurde es so strikt ausgelegt, dass es für die Geduldeten faktisch leerlief. Die Möglichkeit, auf Landesebene zu obstruieren, könnte allerdings dazu führen, dass die zweifelnden CDU-Politiker das ungeliebte Bundesgesetz zumindest in Kraft treten lassen.