portrait
: Die Edith Piaf der Berliner Filmfestspiele

Sie sagt in Interviews gern, dass sie ebenso gut Sängerin wie Schauspielerin hätte werden können. Mit „La Môme“, Olivier Dahans Melodram über das Leben der französischen Chanson-Ikone Edith Piaf, lässt die 31-jährige Pariserin Marion Cotillard nun tatsächlich das Rollenfach der verwöhnten, charmanten Französin hinter sich und versucht sich in großen Gesten und bleicher Miene. Das unverwechselbare Tremolo der Piaf besorgte für das Bio-Pic jedoch eine andere,die Sängerin Jil Aigrot.

Das in den letzten Jahren grassierende Genre der wuchtig zu Herzen gehenden Musikerbiografien kann Edith Piafs volksnahe Aufsteiger-Saga nicht auslassen, und so besiegelt „La Môme“, der Eröffnungsfilm der Berlinale, auch Cotillards international wachsenden Erfolg. Zuletzt sah man die zierliche Brünette in einer Nebenrolle in Ridley Scotts banalem Wohlfühlmovie „Ein gutes Jahr“, in dem Russell Crowe ein geerbtes Haus in Frankreich restauriert, das Savoir-vivre studiert und, na ja, auch Marion Cotillards stereotype Jeune-Fille-Erotik.

Die Tochter von Pariser Theaterprofis stand schon als Kind auf der Bühne, wechselte mühelos in Fernsehkinderrollen und studierte ihr Handwerk schließlich fleißig fern der Eltern in der Provinz. Noch als Teenager schlug sie sich tapfer in der harten Konkurrenz in französischen TV-Serien und Popcorn-Filmen und wurde mit einer Girlie-Rolle in drei Folgen eines Marseiller Taxifahrer-Sequels bekannt. Es gibt Interviews von ihr, in denen sie mit kaum 25 Jahren beklagt, den Anschluss an eine Kinokarriere verloren zu haben.

Es kam aber anders. Mit einer kleinen Episodenrolle in Tim Burtons übersprudelndem Märchen „Big Fish“ schaffte sie 2003 den Sprung ins internationale Kino und spielte neben Albert Finney, Ewan McGregor und Jessica Lange. In Jean-Pierre Jeunets bombastischem Sittengemälde „Mathilde“ hatte sie 2005 ebenfalls einen einprägsamen Auftritt, für den sie den César, Frankreichs höchste Filmauszeichnung, als beste Nebendarstellerin erhielt. In „Mathilde“ sucht eine junge Frau (Audrey Tautou) ihren auf dem Schlachtfeld verschollenen Geliebten am Ende des Ersten Weltkriegs. Marion Cotillard spielt eine ehemalige Prostituierte, die mit Mathilde dasselbe Schicksal teilt und sich für das an ihrem Geliebten begangene Unrecht rächt. Für die pathetische Ausstrahlung der melodramatischen Überlebensheldin Edith Piaf war das eine gute Vorübung. Jetzt bringt uns Marion Cotillard als Diseuse aus pittoreskem Halbweltmilieu, als Resistance-Kämpferin, Freundin großer Künstler, unglücklich Liebende und röhrendes Stimmwunder das Weinen bei. CLAUDIA LENSSEN