AUS DEM NÄHKÄSTCHEN
: Wonnen der Wolle

Selbst in den Beskiden häkelten sie Lendenschurze

Es fing mit einem Weihnachtsgeschenk an. Eine Freundin hatte mir eine „Strickbärbel“ geschenkt, eine etwa zehn Zentimeter lange Holzfigur mit rotem Körper und grünem Hut, auf dem vier Haken saßen. Ich fühlte mich in meine Kindheit versetzt, in der ich Bärbel gerufen wurde. Bisher kannte ich nur das Strickliesel.

Kaum hatte ich kapiert, wie der Häkelhase läuft, wurde ich zu einem fleißigen Lieschen. Nach wenigen Tagen hatte ich einen meterlangen dünnen Schlauch fabriziert und war auf den Geschmack gekommen. Ich besorgte verschiedene Häkelnadeln und diverse Wollknäuel. Die Strickbärbel verbannte ich ins Nähkästchen, den Schlauch trennte ich wieder auf. Ich fühlte mich zu Höherem berufen – und häkelte kleine Schals für die kleinen Kinder von Freunden. Ich war die Häkelbärbel!

Eines Abends riss ich mich von meiner Häkelnadel los und besuchte eine argentinische Freundin. Wir sprachen über dies und das, über Männer natürlich auch, und irgendwann kamen wir aufs Häkeln. Euphorisch erzählte ich, dass ich bald so weit sein werde, Stäbchen, Doppelstäbchen und auch Blumen zu häkeln. Am Küchentisch entwarf ich ganze Landschaften aus Wolle. Bis die Argentinierin von ihren Erfahrungen erzählte.

Sie berichtete von einer Landsmännin, die String-Tangas für Schwule häkelt. „Ich habe sogar mal ein Modell entworfen“, sagte sie stolz. Gehäkelte String-Tangas für Schwule. Darauf muss man erst mal kommen. Das argentinische Häkellieschen, erzählte die Freundin weiter, habe mittlerweile mehrere Filialen. Ich musste an ein katholisches Dorf in den polnischen Beskiden denken, wo Frauen vor vielen Jahren statt Tischdecken und Priestergewändern sexy Lendenschurze häkelten und in die ganze Welt verkauften. Wieder einmal dachte ich, dass ich irgendetwas falsch mache.

BARBARA BOLLWAHN