Einzelwille und Bürgerwille

Eine Bürgerbefragung nützt nur bestimmten Interessen

VON UWE RADA

Mit den Protesten gegen Stuttgart 21 im Rücken lassen sich auch in Prenzlauer Berg große Töne spucken. Der Unterschied ist nur: Der Kopfbahnhof in Stuttgart gehörte allen – den Stuttgartern und auch den Berlinern. Die nämlich werden sich ärgern, wenn bald die Strecken im Umland verfallen, weil die Bahn alles Geld in ihr Prestigeprojekt im Süden der Republik versenkt.

Selbstbedienungsladen

Die Kastanienallee dagegen, das zeigte auch die Diskussion in der BVV, scheint bislang nur ihren Anwohnern und Fans zu gehören. Und die sollen nun über die Zukunft ihrer Straße abstimmen? Was für ein Quatsch. Dann kann man direkte Demokratie ja gleich zum Selbstbedienungsladen machen.

Beim Umbau der Kastanienallee geht es aber nicht nur um die – böse – Politik und um die – guten – Betroffenen, es geht auch um Interessen. Die der Radfahrer zum Beispiel finden sich nicht wieder im „Not in my backyard“-Protest gegen „K 21“. Dabei wäre ein eigener Radstreifen ein Segen. Dass es bislang so wenig Unfälle gab, lag schließlich weniger am guten Verhältnis zwischen Rad und Tram. Der Grund war schlicht und ergreifend, dass die meisten Radler den Hindernisparcours Kastanienallee mieden. Schön, wenn sich das bald ändert.

Kein Anwohnerentscheid darf den Konflikt deshalb entscheiden, sondern eine Beteiligungsform, die alle Interessengruppen berücksichtigt. Das ist der bezirksweite Bürgerentscheid. Wenn die Bewohner der Castingallee von der Schönheit ihrer Argumente überzeugt sind, müssen sie sich auch die Mühe machen, die Radfahrer aus Pankow und Weißensee zu überzeugen. Das entsprechende Quorum inbegriffen.