Ranking unerwünscht

Kieler Bildungsministerium plant Internet-Porträts aller schleswig-holsteinischen Schulen. Die sollen auch Sprachhintergrund und sozialen Status der Schüler offenbaren. Landesschulbeirat und GEW betrachten dies als Diffamierung und protestieren

von Esther Geisslinger

Fotos von Abschlussfeiern, Berichte über ein Jubiläum, Beiträge von Schülern – fast jede Schule nutzt das Internet, um sich darzustellen. Auch das Kieler Bildungsministerium setzt auf das Internet: Jede Schule soll einen einheitlichen Auftritt im Netz bekommen, in dem „auf der Grundlage vorgegebener Inhaltsbereiche“ Daten über Unterricht, Ziele und Programme veröffentlicht werden. Sinn der Sache: „Mehr Transparenz über pädagogische Arbeit, Leistungen und Qualitätsentwicklung“, heißt es in einem Erlass des Ministeriums, der ursprünglich nächste Woche in Kraft treten sollte. Dazu wird es nicht kommen: Die Vorlage stößt auf Widerstand, unter anderem sperrt sich der Landesschulbeirat.

„Mehr Transparenz ist nicht verkehrt, aber dieses Instrument ist vollkommen falsch“, sagt Bernd Schauer, Geschäftsführer der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) und einer der Kritiker der geplanten Schulporträts. Sein Hauptargument: Unter anderem soll veröffentlicht werden, welchen „Sprachhintergrund“ die Kinder haben – sprich: wie viele Migranten in den Klassen sitzen. Schauer sieht darin „eine Anleitung für Ober- und Mittelschichteltern, wie sie ihre Kinder von Einwandererkindern fernhalten können“. Auch in anderen Bereichen würden „Äpfel mit Birnen verglichen“: Dass von einer Grundschule im edlen Kieler Stadtteil Düsternbrook mehr Kinder ins Gymnasium wechseln als im Multikulti-Viertel Gaarden, sage nichts über die Qualität der Lehrkräfte aus. Das Bildungsministerium, so sein Vorwurf, biete den Eltern eine Handreichung, selbst ein Ranking vorzunehmen.

Beate Hinse, Sprecherin des Bildungsministeriums, weist das zurück: Unter Eltern und Arbeitgebern machten schon heute „diffuse Gerüchte“ über die Qualität der Lehre und die Zusammensetzung der Schülerschaft die Runde. „Durch die Porträts kann jede Schule damit umgehen und sagen, wie sie ausländische Kinder fördert.“ Eine landesweite Aufstellung von guten und schlechten Schulen sei zudem nicht vorgesehen. Zwar soll in den Porträts auftauchen, wie gut eine Schule bei Studien wie Pisa abgeschnitten hat. „Aber selbst wenn Eltern sich ein Ranking basteln und feststellen, dass eine Schule in Lübeck besser ist als eine in Flensburg, werden sie deshalb nicht umziehen.“ Außerdem werde das soziale Umfeld einbezogen. Überhaupt sei die Frage nach dem Sprachhintergrund „nur eine Idee, die wir in die Diskussion gegeben haben“.

Landesschulbeiratsmitglied Heiner Spönemann, Geschäftsführer der Bildungsstätte Tannenfelde, der Bildungseinrichtung der schleswig-holsteinischen Wirtschaft, nennt die gleichen Punkte wie der GEW-Mann Schauer: „Ich bin sehr für Transparenz, aber wenn die vergleichbaren Daten dazu führen, dass Eltern ihre Kinder nicht mehr in bestimmte Schulen schicken wollen, ist das kontraproduktiv.“ Statt einzelne Schulen „an den Pranger zu stellen“, müsse man Konsequenzen ziehen und zum Beispiel bestimmte Standorte besser fördern. Der Schulbeirat hat deshalb Änderungen an den Internet-Auftritten gefordert. Unter anderem soll das Kriterium „Sprachhintergrund“ verschwinden.

Bildungsministeriums-Sprecherin Hinse betont, dass über dieses Detail noch nicht entschieden sei. Vielleicht werde man es wieder herausnehmen. Insgesamt aber hält sie das Modell weiterhin für sinnvoll. Weder Schulen, die an einem Testlauf beteiligt waren, noch Datenschützer hätten Einwände: „Es geht größtenteils um Informationen, die man heute schon finden kann, nur eben nicht auf den ersten Blick.“

Einige der Daten sind bislang aber nicht im Internet zu finden – etwa Informationen zu Sprachhintergrund und sozialem Status der Schüler. Und gegen die flächendeckende Erhebung solcher Informationen über einzelne Kinder – Stichwort: „gläserner Schüler“ – hat der Datenschutzbeauftragte des Landes durchaus etwas einzuwenden.