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: Wurst im Hochglanzdarm

Juchhu: „Vanity Fair“ ist da! Wie sie ist? Na ja, erst mal voller Anzeigen. Und die lassen tief blicken.

Im Kino darf man mit dem Popcorn anfangen, sobald die Werbung läuft – sie gehört zum Erlebnis. Der Vanity-Fair-TV-Spot kommt zwar daher wie eine Pizzeria-Kino-Werbung aus Helmstedt, doch die Hochglanzanzeigen im Heft gehören genauso zu einem Hochglanzmagazin wie die Werbung zum Film. Mehr noch: Es gibt einen inneren Zusammenhang zwischen den Anzeigen und dem Magazin.

Der Möbelhersteller Hülsta preist zum Beispiel seine „hochglänzenden Lackoberflächen“ an, die mit „Wandpaneelen aus edlem Nussbaum“ kombiniert seien, und wundert sich tiefgründig: „Immer fragen die Leute nur, wie man das bezahlt hat, und nie, warum.“ Im Falle von Vanity Fair ist das Wie nicht die Frage, das „Neue Magazin für Deutschland“ wird derzeit für einen Euro verkauft, der Preis wird dann nach dem Vorbild der Tabaksteuer nach und nach auf 3 Euro erhöht.

Die Frage nach dem Warum muss sich dann die Zielgruppe stellen, die angefixt werden soll: Lohnt es sich der edlen Nussbaumelemente wegen? Der Vorabdruck aus den Tagebüchern der ermordeten russischen Journalistin Anna Politkowskaja ist eine sehr hübsche Paneele – zumal man auch von Berlin aus einen gesicherten Zugang zu Edelhölzern aus den USA hat, wie man an der guten Robert-De-Niro-Geschichte sehen kann.

Natürlich wird die eigentliche Wurst im Hochglanzdarm in Berlin gemacht. Ob „Deutschlands bestaussehende Redaktion“ (Der Spiegel) so aussieht wie die Ermenegildo-Zegna-Anzeige? „Great Minds Think Alike“, alles Kerle, adrett frisiert und mit 17-Uhr-Bart. Und sieht nicht der Typ von der „L’Homme“-Yves-Saint-Laurent-Anzeige, der Schauspieler Olivier Martinez, aus wie dieser Chefredakteur, Ulf Poschardt? Letzterem kann man allerdings eine Mail schicken, wenn einem was nicht passt: posh@vanityfair.de

Auch die zu beschreibenden oder interviewten ProtagonistInnen tauchen stets als Anzeigen-Wiedergänger auf: Mag Til Schweiger auch in langen Unterhosen und mit Zicklein für Bruce Weber posieren und sich öffentlich für seinen nicht vorhandenen Waschbrettbauch genieren – am Ende des Heftes steht er im kurzen Schlüppi von Skiny herum. Kate Moss mag Probleme mit ihrem Junkie-Lover haben, in der Schwarz-Weiß-Anzeige von BVLGARI ist die Welt wieder in Ordnung. Wenn der Künstler Georg Baselitz porträtiert wird, darf eine ganzseitige Anzeige für seine nächste Ausstellung nicht fehlen – aber alles im grünen Bereich: Der angepriesene VW Phaeton wird im redaktionellen Teil ordnungsgemäß als wenig erfolgversprechend kritisiert. Der Teufel fährt eh Panda (Fiat).

Ob es auch einen Zusammenhang zwischen dem Politikteil und der Anzeige des Dienstleisters EAG gibt, kann noch nicht gesagt werden. Die European Advisory Group versteht sich als „globale Task Force von Regierungen und Industrie für Fragen und Lösungen der inneren, verteidigungspolitischen und Energiesicherheit“. Ansonsten bilden die Anzeigen den üblichen Brei aus Chloe-Rolex-Max-Mara-Gliss-Kur: Mehr Style Magazine und weniger Bunte bitte.

MARTIN REICHERT