Keine Zauberformel für den Irak

Nach dem Wahlsieg der Demokraten werden in den USA neue Strategien für den Irak erörtert. Diskutiert wird die Teilung des Landes ebenso wie die Rückkehr eines Diktators

KAIRO taz ■ Nicht Pennsylvania, Montana oder Virginia, der Irak hat sich als mit Abstand wichtigster „Swing State“ bei den US-Wahlen erwiesen. Es war die katastrophale Lage im Zweistromland und der dort verstrickten US-Soldaten, die die Wahlen entschieden hat. Die Durchhalteparolen George W. Bushs und sein „Kurshalten um jeden Preis“ hat seinen Republikanern eine herbe Niederlage beschert. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der Architekt des Irakkriegs stellt nicht zufällig das erste Opfer dieser Niederlage dar.

Dabei haben die Demokraten ihren Wählern eine Kurskorrektur versprochen, ohne aber selbst eine zusammenhängende alternative Strategie für den Irak auszuformulieren. Viel Manövriermasse gibt es derzeit nicht, wenn es darum geht, das Rad im Irak neu zu erfinden. In den USA wartet man nun auf die Erkenntnisse der James-Baker-Kommission, einer Irak-Studiengruppe, in der beide Parteien, Demokraten und Republikaner, in den nächsten Wochen eine Exit-Strategie für den Irak entwickeln sollen. Besprochen werden dort unter dem Vorsitz des ehemaligen US-Außenministers Baker allerlei Ideen: Von einer großen Irakkonferenz ist dort etwa die Rede. An der sollten alle Nachbarstaaten, also auch der Iran und Syrien teilnehmen, beides Länder, die bisher auf der Schurkenliste der US-Diplomatie stehen.

Die Frage hierbei wäre, ob nicht bereits zu viel Glas zerbrochen ist, als dass Washington jetzt noch mit Teheran und Damaskus ins Geschäft kommen könnte. Dazu müssten beiden Staaten zu allererst einmal Sicherheiten gegeben werden, dass sie nicht als Nächstes auf der Abschussliste der US-Administration stehen. Und dann hätte eine Zusammenarbeit im Irak sicherlich auch seinen Preis: Der Iran möchte sein Nuklearprogramm entwickeln und das syrische Regime möchte zuallererst in der Mordangelegenheit des ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri vom Hacken genommen werden. Eine Befriedung des Iraks mit Hilfe seiner Nachbarn kann politisch teuer werden, zumal der Iran und Syrien wissen, dass ohne sie nichts im Irak vorangehen wird.

Die zweite Möglichkeit einer neuen Strategie wäre, mit den Aufständischen selbst ins Gespräch zu kommen. So könnten „moderatere“ Guerillas mit nationalistischen Motiven und die Hardliner der heiligen Krieger gespalten werden. „Ein Waffenstillstand im Gegenzug eines konkreten Zeitplans für den Truppenabzug“, könnte das Geschäft lauten. In den letzten Wochen gab es immer wieder Versuche, meist bei geheimen Treffen in der jordanischen Hauptstadt Amman, die aber alle bisher nicht weit geführt haben. Schwierig ist dabei, dass es keine richtige politische Vertretung für die Aufständischen gibt. Selbst wenn es klappen würde, würde dies nur eine Teillösung darstellen, da die Aufständischen im Moment für die Amerikaner ein geringeres Problem darstellen, als der sich immer stärker manifestierende Bürgerkrieg zwischen Sunniten und Schiiten.

Um den abzuwenden, wurde von einigen Demokraten, allen voran von Joseph Biden, der für die Demokraten im Senatsausschuss für auswärtige Angelegenheiten sitzt, die Idee einer „sanften Teilung“ des Iraks propagiert. Das Land soll in einen kurdischen, schiitischen und sunnitischen Staat aufgeteilt werden. Das Hauptproblem ist, dass sich der Irak nicht einfach nach konfessionellen und ethnischen Gesichtspunkten aufteilen lässt und einer solchen Lösung in den gemischten Gebieten zunächst eine blutige ethnische Säuberung vorausgehen würde. Am Ende bliebe dann immer noch die Frage offen, ob sich die drei neuen Einheiten nicht im Kampf um die Erdölverteilung bekriegen.

Als Letztes wird das Szenario des „starken Mannes“ diskutiert, der alles im Irak richten soll. Gerade wurde der alte starke Mann Saddam Hussein zu Tode verurteilt, da wird erneut die Suche nach dem guten Diktator aufgenommen, der den Irak in einer Art Übergangszeit zur Demokratie regieren soll. Vom Legitimationsproblem für Washington einmal abgesehen, das den Irakkrieg einst mit dem Sturz des Diktators rechtfertigte: Im Moment gibt es keinen „starken Mann“ im Angebot, ganz besonders keinen proamerikanischen. Jeder Einmannherrscher und jede Junta müsste sich als Allererstes von den Besatzern distanzieren, um von den Irakern ernst genommen zu werden.

KARIM EL-GAWHARY