Der Wochenendkrimi
: Zwei Kommissare für Amor

„Tatort: Liebe macht blind“, So., 20.15 Uhr, ARD

Single-Discos, Swinger-Clubs und Partnerbörsen aller Art: Wo die Menschen verzweifelt zu-, auf- und untereinander streben, da kommt es in der Eile leicht zu Mord und Totschlag. Deshalb spielen Krimis so oft im Anbahnungsgewerbe. Außerdem fällt günstigerweise die Einsamkeit der Kommissare hier nicht so sehr auf. In diesem RBB-„Tatort“ ist ganz Berlin eine Wolke. Die Menschen flattern schnell aufeinander zu – und stürzen noch viel schneller ab.

Es geht eben immer um Geschwindigkeit, auch in der Liebe und gerade in der Hauptstadt, wo die Menschen ja in der Regel schrecklich wenig Zeit haben. „Schpiehtdahting“, so nennt der Altberliner Kripo-Assi Weber (vielleicht das Beste am RBB-„Tatort“: Ernst-Georg Schwill) diese Form der Expresskupplerei. Und nach so einer Speed-Dating-Sitzung ist auch der notorische Schürzenjäger und Jurist Erik Mohr zu Tode gekommen – erschlagen mit einer Golftrophäe.

Der Fall führt die Ermittler Ritter (Dominic Raacke) und Stark (Boris Aljinovic) allerdings bald weg vom polygamen Geschlechtsleben des toten Charmeaggressors und zieht sie in die dunklen Machenschaften von dessen Kanzlei. Die war einst wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung angeklagt gewesen. Und das etwas sonderbare Gebaren von Mohrs Kollegin und Ex-Lebensgefährtin Nina Emmerich (Aglaia Szyszkowitz) scheint mit den alten Beschuldigungen in Beziehung zu stehen. Es geht um Schließfächer, versiegelte Dokumente und heimlich ausgetauschte Disketten mit brisantem Material.

Interessanter als diese Standardingredienzen des Wirtschaftskrimis sind in „Liebe macht blind“ (Buch: Stefan Rogall, Regie: Peter Fratzscher) allerdings die amourösen und libidinösen Winkelzüge der einsamen Berliner. Und gerade auch die der dortigen Ermittler: Kommissar Stark besucht verdächtig oft die Hauptverdächtige; Kollege Ritter lässt sich von einer Dame ansprechen, die eigentlich ein Blind Date mit jemand anderem hat; und ihr Chef steht ein bisschen blöde mit einer Erkennungsrose in einer Kneipe rum.

Außerdem gibt in einem Cameo-Auftritt Talkmoderator Jörg Thadeusz den Beziehungsratgeber und Radio-DJ. Vielleicht muss man es als Zeichen einer höheren Gerechtigkeit werten, dass am Ende ausgerechnet die Figur, die von der RBB-Honorarkraft gespielt wird, eine neue Liebe findet. Denn der Laiendarsteller Thadeusz sieht beim Knutschen ein bisschen so aus wie eine Seekuh, die Seetang zerkleinert. Den Filmkuss müsste man für weitere Fernsehauftritte noch üben. CHRISTIAN BUSS