… DIE BESTREIKTE BAHN?
: Fast pünktlich ankommen

Morgens um halb zehn scheint im Hauptbahnhof ein Flashmob stattzufinden: Eine Menschenmenge mit Rollkoffer in der einen und Mobiltelefon in der anderen Hand starrt unverwandt auf die Anzeigetafel. Dort wechseln die Anzeigen „Zug fällt aus“ und „2 Stunden Verspätung“, ein System ist nicht erkennbar. Die GdL streikt, Mobilfunkanbieter und Bahnhofsbäcker machen gute Umsätze.

Der Zug nach Magdeburg fällt ebenfalls aus, auch wenn das im Internet so nicht stand. Anderen Fahrgästen scheint es ähnlich zu gehen: Die Servicekräfte auf den Bahnsteigen sind an dem Pulk um sie herum zu erkennen. Eine Frau fragt nach dem nächsten Zug in Richtung Köln. In einer Stunde ungefähr, sagt der Bahn-Mitarbeiter. Ach, das sei ja gar nicht so viel, freut sich die Frau.

Im Ersatzzug gen Westen zeigt sich der Streik von der entspannten Seite: Reservierungen gebe es nicht, dafür aber genug freie Plätze, teilt der Zugchef gut gelaunt mit. Die Zugbegleiter drücken beide Augen zu, dass das Ticket nicht für ICEs gilt. Hauptsache, die Fahrgäste kommen irgendwie an. Im Gegensatz zu Berlin hat sich die Service-Frau in Braunschweig gut versteckt. Nein, nach Wernigerode geht es erst wieder nach dem Streik. Pause.

Im Bahnhofscafé sitzt ein Paar, das einen Ferienflieger ab Berlin erwischen will. Das ist ziemlich aussichtslos, daher telefoniert sich der Mann durch allerlei Warteschleifen. Irgendwann brechen die beiden überhastet auf, es fährt wohl doch noch ein Zug – oder wieder.

Vom Chaos nach dem Streik ist wenig zu merken, die Züge fahren einfach wieder. Verspätung bei rund vier Stunden Fahrt: 30 Minuten. Für Bahn-Maßstäbe fast normal. SVE