Kaufrausch im Morgengrauen

Wer möchte, kann in Berlin künftig um vier Uhr morgens shoppen gehen. In anderen Bundesländern wachsen dagegen die Zweifel an der Abschaffung des Ladenschlusses

MÜNCHEN taz ■ Zumindest im rot-roten Berlin ist die Diskussion wohl beendet: Gestern Abend wollte sich das Abgeordnetenhaus für das „serviceorientierte Einkaufen rund um die Uhr“ entscheiden. Im Rest der Republik – vor allem in der Union – verlieren die Fans der Freigabe des Ladenschluss dagegen zunehmend an Rückhalt. In Bayern kam die CSU, absolute Mehrheitsfraktion im Landtag, am Mittwochabend zu keiner Einigung.

Nach 33 Wortmeldungen und einer um zwei Stunden verzögerten Pressekonferenz wurde schließlich das Nicht-Ergebnis verkündet. 51 zu 51 Stimmen ging die Abstimmung über eine Liberalisierung des Ladenschlusses aus. Eine Patt, wie es CSU-Fraktionschef Joachim Hermann noch nie erlebt hat. „Da wird auf beiden Seiten mit guten Argumenten gerungen.“ Fürs Erste bleibt der CSU-regierte Freistaat damit bei der 20-Uhr-Regelung – neben dem Saarland als bisher einziges Bundesland.

Alle übrigen 14 Landesparlamente demontieren derzeit kräftig die Ladenschlussregelung, die seit der Föderalismusreform zur Ländersache geworden ist. Bis zur völligen Freigabe reichen die Gesetzentwürfe, in Sachsen-Anhalt etwa sollen die Läden 7 Tage 24 Stunden aufmachen dürfen. Doch es könnte sein, dass Bayern und Saarland weitere unionsregierte Bundesländer nachfolgen und die totalen Liberalisierungspläne aufgeben. „Ich weiß von CDU-Kollegen, die sich schon für eine Liberalisierung ausgesprochen hatten, dass sie jetzt in Bedrängnis kommen“, berichtet Joachim Hermann von der Ladenschlussdebatte. In der Tat hat etwa der Evangelische Arbeitskreis (EAK) der Unionsparteien vor allem die ostdeutschen CDU-Landtagsabgeordneten aufgefordert, Ladenschlussgesetzen mit „umfassender Aushöhlung“ des Sonntagsschutzes abzulehnen. Auf dem Bundesparteitag der CDU soll dazu auch ein Antrag eingebracht werden.

Auch in Bayern, das sonst ganz auf Deregulierung und Entbürokratisierung setzt, ist man nachdenklich geworden. Vor allem auf dem Land könnten die kleinen Einzelhandelsgeschäfte leiden, wenn man rund um die Uhr in die Stadt zum Einkaufen fahren kann, argumentieren die Mahner. Auch sorgen sich viele in der CSU-Fraktion um das ehrenamtliche Engagement und den Familienzusammenhalt bei Angestellten im Einzelhandel. „Wir werden in der nächsten Zeit beobachten, wie sich die Regelungen in anderen Bundesländern entwickeln“, so Hermann.

Er erwartet, dass es im nächsten Jahr auch in Bayern zu einer Neuregelung kommt. Ob man dann abschließend bei 20 Uhr bleibe, auf 22 Uhr gehe oder die Öffnung ganz freigebe, werde sich zeigen. Das Abwarten bis dahin sei jedenfalls sicher kein Beinbruch für die bayerische Wirtschaft. „Ich glaube nicht, dass in Hessen oder Baden-Württemberg um 23 Uhr die Läden gestürmt werden.“ Gerade die CSU-Abgeordneten in Grenzregionen zu anderen Bundesländern hatten sich aus Sorge vor dem „kleinen Grenzverkehr“ – von Bayern nach Hessen oder Sachsen-Anhalt – für eine Freigabe stark gemacht.

Außer in Berlin scheint es derzeit in Niedersachsen am wahrscheinlichsten, dass der Ladenschluss weitgehend abgeschafft wird: Die dortigen Fraktionen von CDU und FDP wollen das Einkaufen rund um die Uhr von Montag bis Samstag ermöglichen. Die FDP konnte allerdings ihren Plan nicht durchsetzen, den Ladenschluss schon für das Weihnachtsgeschäft freizugeben. MAX HÄGLER