Schuhe, zu chic fürs Abendessen

Krieg im Mietshaus: Eine Frau wehrt sich vor Gericht gegen eine „hysterische“ Nachbarin – und gegen die Polizei, die wegen einer vermeintlichen Ruhestörung gleich die Wohnungstür aufbrechen ließ. Das Verfahren wird eingestellt

Silke R. ist sofort auf 180, als sie wegen der skurrilen Ereignisse des 3. November 2005 vor dem Amtsgericht steht. Und ihre Verteidigung selbst übernimmt. „Es geht mir nicht ums Geld, es geht mir ums Prinzip“, schimpft die 31-Jährige, und ihre Stimme schlägt vor Aufregung immer wieder ins Schrille um. „Das ist eine bodenlose Frechheit und Ungerechtigkeit, das will ich bis zur letzten Instanz geklärt haben“, sagt sie. „Dass die Polizei die Tür aufgebrochen hat, ist hirnlos und stümperhaft.“ Erst als sie „Stasi-Methoden“ zum Vergleich heranzieht, ruft Richter Cornelius Wendler sie zur Räson.

Trotzdem legt sich ihre Empörung nicht: Darüber, dass sie der Ruhestörung wegen zu lauter Musik bezichtigt und ihr zudem vorgeworfen werde, eine Nachbarin durch Gehgeräusche belästigt zu haben. Und darüber, dass sie nun ein deftiges Bußgeld sowie den Einsatz von Polizei und Feuerwehr bezahlen soll. Plötzlich kramt sie aus ihrem Beutel ihre halbhohen Stilletos hervor und hält sie dem Richter zur Begutachtung hin. „Ich bin kein Schuhfetischist“, poltert sie ihn an. „Solche Schuhe trägt sicher auch mal ihre Frau, wenn sie mit ihr Essen gehen.“

Was war passiert? Am jenem frühen Abend treffen sich Silke R. und ein befreundetes Pärchen bei ihrem Freund Michael K. zum Essen. Sie habe sich aus diesem Anlass elegant angezogen, führt R. aus – Rock, Bluse und chice hochhackige Schuhe. Dass das Miethaus ein hellhöriges Gebäude ist, habe sie gewusst: Schon öfter habe es deswegen Streit gegeben. Die Wände seien dünn, der Holzfußboden übertrage Geräusche. Trotzdem wird an jenem Abend die Stereoanlage angestellt, um das Ambiente abzurunden. „Wir haben ja nur gesessen“, sagt Silke R. im Rückblick, „aber wenn ich mal aufs Klo muss, machen die Schuhe eben Lärm.“

Das hektische Klopfen von nebenan ignoriert die Tafelrunde zunächst: Allen sei bekannt gewesen, dass die Nachbarin, Heide F., hysterisch gegen Hauslärm sei, sagt R. – den Vormieter habe F. „auch vergrault“. Dann ruft die Nachbarin die Polizei, zwei junge Beamte treffen ein. Weil F. vom Kommissariat 41 Polizeihilfe zugesagt worden ist, werden die schnell aktiv. Weil die Klingel nicht funktioniert, klopfen sie nun selbst an die Wohnungstür. Michael K. reagiert genervt und ruft: „Wenn das nicht aufhört, rufen wir die Polizei.“ Die indes steht vor der Tür – inzwischen mit Verstärkung und Feuerwehr. Einen Moment später kracht es, und Silke R. fliegt das Schloss der Wohnungstür vor die Füße. Seither wird R. für alles verantwortlich gemacht – dabei ist sie in der Wohnung nicht mal gemeldet.

Richter Wendler glaubt nicht, dass die Dinner-Runde so leise war, wie R. behauptet. Es wundert ihn auch, dass die Beamten nicht gehört wurden. Das Verfahren stellt er trotzdem ein: Silke R. trage keine Verantwortung. „Nicht jedes normale Wohnungsgeräusch ist ein Grund, zum Gericht zu gehen,“ sagt er. „Aber mancher Geräuschpegel wird auch unterschiedlich empfunden.“ PETER MÜLLER