berlinale szene Wachsrituale

Alles wird bedeutsam

Die Filmfestspiele sind vorfreudemäßig das, was einem als Kind die großen Ferien waren; große Erwartungen, winkende Abenteuer. Ganz aufgeregt behauptet man, alles werde super werden, und versucht, mit Ritualen die kommende Zeit gnädig zu stimmen. Ich kaufte mir einen Füller, den gleichen, mit dem ich schon letztes Jahr bei der Berlinale geschrieben hatte, und ging dann zum Friseur.

Wie immer fragte die Friseuse, ob ich gerne Wachs im Haar haben würde. Wie immer sagte ich, klar, gerne, weil ich sonst nie auf die Idee käme, mir Wachs ins Haar zu tun. Auf dem Weg zum Potsdamer Platz kamen mir Reste einer Demo entgegen. Einige trugen Ché-Guevara-Schilder. An der U-Bahn-Station lagen dann noch die Reste der Kundgebung: Schilder mit teils sperrigen Parolen wie „Arzneimittelregulierung zerstört Arbeitsplätze und Tarifverträge“. Ich würde gerne gegen den Werbeslogan „Leben ist Erlösung“ des Berlinale-Sponsors „T-Home“ protestieren. Meine Paranoia, dass irgendwas mit meiner Akkreditierung schiefgelaufen wäre, wurde enttäuscht.

Mit der Akkreditierung um den Hals, auf der stand, wo man mich abgeben soll, falls ich mich verlaufen würde, schien mir plötzlich vieles sehr bedeutsam. Vor dem Berlinale-Palast wurde noch rumgebaut. Zwei Journalisten interviewten einen dritten. Die Wohnwagen, in denen die Mitarbeiter von ZDF und 3sat untergebracht sind, sahen aus wie Zeppeline. DETLEF KUHLBRODT