Raus aus der Dönerecke

Am schmuddeligen Kottbusser Tor eröffnet heute eine Blumenpassage mit türkischen Cafés – nach dem Vorbild Istanbuls. Eine Chance für den Kiez

von ANTJE LANG-LENDORFF

Wenn Tekin Kilic über Döner spricht, fängt er an zu schimpfen. „Was in Berlin als Döner verkauft wird, hat den Namen nicht verdient“, sagt er. In dem Fleisch sei Bindemittel, also Wurst verarbeitet. Echter Döner dagegen bestehe aus Fleischscheiben, die man vor dem Grillen tagelang einlegen müsse. Er zeigt aus dem Fenster auf die Imbissbuden neben dem Kottbusser Tor. „Das da unten sind Drehspieße, mehr nicht.“

Es ist nicht nur Kilics persönlicher Geschmack, der ihn so aufregt. Er ärgert sich darüber, dass in Berlin trotz der vielen türkischen Einwanderer keine „türkische Kultur“ zu sehen sei. Kilic ist 48 Jahre alt, mit 14 kam er nach Deutschland. „Alle sagen immer, Kreuzberg sei Klein-Istanbul. Aber Istanbul besteht doch nicht nur aus Dönerbuden.“

Kilic will jetzt ein bisschen vom Flair der türkischen Hauptstadt nach Berlin holen. Im ersten Stock des großen Betongebäudes am Kottbusser Tor, dem Neuen Kreuzberger Zentrum, hat der Unternehmer eine „Blumenpassage“ bauen lassen. Heute um 14 Uhr soll sie eröffnet werden. Über 20 türkische Cafés, Restaurants, Bars und Stände warten auf Kundschaft. Bis zu 600 Personen finden Kilic zufolge in der überdachten Straße Platz. „Drehspieße“ gebe es keine, dafür gegrillten Hammel, hausgemachte Teigbällchen und Köfte.

Das Vorbild für die Kreuzberger Passage steht im Istanbuler Stadtteil Beyoglu, am westlichen Ufer des Bospurus. In der dortigen Blumenpassage treffen sich die Istanbuler, essen und trinken oder flanieren einfach nur durch den neobarocken Bau. Musiker ziehen von Lokal zu Lokal und tragen melancholische Lieder vor.

So ähnlich stellt sich das Kilic das auch für das Kottbusser Tor vor. Das Neue Kreuzberger Zentrum hat zwar wenig barocken Charme, aber Kultur kann man auch hier machen. Es sollen regelmäßig deutsch-türkische Lesungen stattfinden und traditionelle türkische Musik gespielt werden.

Für das schmuddelige Kottbusser Tor kann die Passage nur ein Gewinn sein. Oberhalb der Imbisse und Obststände bestimmt dreckiges Weiß das Bild. Nur im ersten Stock sind die Wände in einem warmen Terrakotta-Farbton gestrichen. Damit die Junkie- und Alkoholikerszene vom Vorplatz nicht in die Passage umsiedelt, wird ein Türsteher den Eingang kontrollieren. „Die Gäste sollen sich hier wohlfühlen“, erklärt Kilic. Um die Probleme vor seiner Tür solle sich der Bezirk kümmern, findet er.

Damit die Einrichtung authentisch türkisch ist, hat der Unternehmer alte Bretter, rustikale Holztüren, sogar einen Ochsenkarren importieren lassen. Auch die beigen Kacheln des Fußbodens stammen aus der Türkei. Nach Angaben des Geschäftsführers Tamer Ertürkler hat der Ausbau über eine Million Euro gekostet. Finanzielle staatliche Unterstützung habe er keine bekommen, sagt Fahrstuhlfabrikant Kilic.

Er hofft, dass vor allem Deutsche und Touristen die Blumenpassage besuchen. Ein Dönerverkäufer vor der Tür ist pessimistisch, dass das Konzept aufgeht: „Ich hätte mein Geld da nicht reingesteckt. Woher sollen die Einnahmen kommen? Wir sind hier in Kreuzberg, nicht am Ku’damm.“

Doch wer weiß, vielleicht wird die überdachte Straße tatsächlich zu einem neuen Anlaufpunkt für die Berliner und ihre Gäste. Für den Kiez ist sie in jedem Fall eine Chance. Wenn man von der Terrasse über schneebedeckte Buchsbäume und grüne Bambusgewächse hinausschaut, dann sieht das sonst so ungemütliche Kottbusser Tor plötzlich richtig schön aus.