Schüsse an Israels Nordgrenze

Zum ersten Mal seit dem Ende des Libanonkriegs kommt es zu einem Schusswechsel zwischen israelischen und libanesischen Soldaten. Hariri lobt Rolle der Armee

Das Hisbollah-Fernsehen zeigt libanesische Soldaten und Israelis beim Tee

KAIRO taz ■ Der erste Schusswechsel seit dem Ende des Libanonkriegs an der israelisch-libanesischen Grenze zeigt, wie fragil der im Sommer letzten Jahres ausgehandelte Waffenstillstand ist. Von „einem schwerwiegenden Zwischenfall“ sprach ein Sprecher der UN-Truppen im Libanon. Premierminister Fuad Siniora gab die klare Order an die libanesische Armee aus, jeder weiteren israelischen Grenzverletzung etwas entgegenzusetzen. Ein israelischer Militärsprecher erklärte dagegen den Zwischenfall für erledigt.

Die israelischen Streitkräfte hatten nach eigenen Angaben am Mittwochabend nach versteckten Sprengsätzen der Hisbollah gesucht. Beide Seiten stimmen überein, dass die libanesischen Soldaten das Feuer mit Maschinengewehren eröffnet und die israelischen Soldaten mit Panzern zurückgeschossen haben. Verletzt wurde niemand. Uneinigkeit besteht aber darüber, wo genau sich der israelische Trupp mit einer Planierraupe befand. Nach libanesischen Angaben soll die Raupe auf libanesischem Territorium im Einsatz gewesen sein. Die israelische Seite streitet das ab.

Israel warf der Hisbollah vor, bereits am Montag im Grenzstreifen Sprengsätze versteckt und damit den Waffenstillstand verletzt zu haben. Hisbollah wies dies zurück und erklärte, die Sprengsätze stammten noch aus der Zeit vor dem Krieg. Der Zwischenfall ereignete sich nahe der libanesischen Ortschaft Marun al-Ras, die im Sommer hart umkämpft war. Die libanesische Armee hat ihre dortige Präsenz jetzt verstärkt.

Bemerkenswert ist, dass der Schusswechsel nicht zwischen israelischen Soldaten und Kämpfern der Hisbollah, sondern mit der regulären libanesischen Armee stattfand. Bei der Aushandlung des Waffenstillstands hatte Israel darauf bestanden, dass libanesische Soldaten an der Grenze stationiert werden. Zuvor wurde das Grenzgebiet fast ausschließlich von Hisbollah-Kämpfern kontrolliert.

Während des Krieges hatte Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah der Regierung von Fuad Siniora immer wieder vorgeworfen, die Armee nicht zur Landesverteidigung eingesetzt und die Hisbollah gegen die vorrückenden israelischen Truppen alleingelassen zu haben. Bis heute läuft im Hisbollah-Fernsehen al-Manar ein Video, das libanesische Soldaten zeigt, die unmittelbar nach dem Waffenstillstand lächelnd mit Israelis in der südlibanesischen Kleinstadt Marjaoun Tee trinken. „Wir verteidigen die libanesischen Grenzen, während die Regierung ihre Soldaten mit dem Feind Tee trinken lässt“, erklärte Nasrallah nach dem Krieg.

Kein Wunder also, dass der Chef der Mehrheitsfraktion im libanesischen Parlament, Saad Hariri, den jüngsten Zwischenfall nutzt, um Regierung und Armee als Landesverteidiger in ein gutes Licht zu rücken und gegen Hisbollah zu punkten. Er dankte der heldenhaften Armee, dass sie diesen israelischen Grenzübertritt verhindert habe und fügte hinzu: „Was passiert ist, zeigt, dass die Armee durchaus fähig ist, ihre Verantwortung zu übernehmen und die Souveränität der Landesgrenzen zu schützen.“ KARIM EL-GAWHARY