Ernährer stirbt aus

Andere Länder verabschieden sich weit schneller als Deutschland vom Bild des männlichen Alleinverdieners

BERLIN taz ■ Sind wir nicht geschlechterpolitisch schon fast so weit wie Schweden? Mit dem supermodernen Elterngeld? Sind wir nicht. In einer neuen vergleichenden Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung landet Deutschland erneut auf dem letzten Platz, was die Gleichstellung von Frauen und Männern angeht.

Vier Länder standen zum Vergleich: Schweden, Frankreich, Großbritannien und Deutschland. Die AutorInnen Anneli Rüling und Karsten Kassner haben ausgewertet, wie viel Frauen arbeiten, wie viele von ihnen in Führungspositionen sind und wie viel Geld sie verdienen – und das mit der jeweiligen Familienpolitik verglichen. Weil das Modell des männlichen Alleinernährers in Deutschland länger als andernorts das Leitbild war, sind die Frauen in Deutschland nicht nur Gebärverweigerinnen, sondern auch bei der Gleichstellung hintendran, so die Studie.

„Um die Familie zu retten, brauchen wir paradoxerweise eine Politik der Entfamilialisierung“, so der schwedische Sozialstaatstheoretiker Gösta Esping-Andersen. Der Mann kann nicht mehr allein die Ernährerrolle tragen, die Frau will und darf nicht mehr von diesem unsicher gewordenen Ernährer abhängig sein. Unter solch riskanten Umständen werden immer weniger Familien gegründet.

Schweden ist am weitesten auf dem Weg zu einem „Adult Worker Model“ vorangeschritten: Beide Eltern arbeiten, Haus- und Familienarbeit werden teils neu aufgeteilt, teils nach außen verlagert. In Schweden arbeiten 82 Prozent der Mütter auch noch, wenn sie zwei Kinder haben. In Deutschland hat sich in dieser Gruppe schon knapp die Hälfte der Mütter aus dem Arbeitsmarkt zurückgezogen.

Insbesondere Alleinerziehende, das ist in Deutschland ein Fünftel der Familien, können hierzulande nicht auf eine ausreichende Betreuung zurückgreifen und deshalb nicht berufstätig werden. Das Ergebnis: 38 Prozent von ihnen schrammen an der Armut entlang, in Schweden dagegen sind nur 19 Prozent von Armut bedroht.

Ein schwacher Trost: Großbritannien ist nicht viel besser dran. Während Frankreich ebenfalls mit einer hohen Erwerbsbeteiligung der Frauen punkten kann, arbeitet die Durchschnittsmutter im Königreich in Teilzeit. England hat damit ein „modernisiertes Ernährermodell“: Mann Vollzeit, Frau Teilzeit. Weil diese Teilzeitjobs oft weniger qualifiziert sind, ist der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen in Großbritannien hoch.

Allerdings hat das Land das Risiko dieses Modells erkannt und tut etwas. Programme, um Frauen in bessere Jobs zu lotsen und Führungspositionen in Teilzeit anzubieten, haben seit den Neunzigern etwas bewegt. Während der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen in Großbritannien deutlich abnahm, ist er in Deutschland sogar größer geworden.

Zum alten deutschen Ernährermodell gehört auch ein Steuersystem, das eine ungleiche Arbeitsverteilung zwischen Ehepartnern begünstigt. Ein solches „Splitting“ gibt es in keinem der Vergleichsländer. Zudem können Frauen nicht arbeiten gehen, weil sie keine ausreichende Kinderbetreuung finden, und Väter engagieren sich zu wenig in der Familie. Schließlich wird wenig getan, um Frauen im Berufsleben voranzubringen, weil sie als bloße Zuverdienerinnen gelten. In all diesen Punkten empfehlen Kassner und Rüteli verschärftes Nachsitzen. Mit dem Elterngeld hat man eben nur an einem einzigen dieser vielen Faktoren etwas gedreht. HEIDE OESTREICH