Kämpfe in Gaza ebben ab

NAHOST Auch ohne offizielle Feuerpause herrscht relative Ruhe. Israels Armee sucht weiter nach palästinensischen Tunneln

Machtinteressen der Regierungen blockieren Fortschritte bei der Suche einer Lösung

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Ohne offizielle Absprachen sind die Kämpfe im Gazastreifen zunächst abgeflaut. Seit Montag früh konzentrieren die israelischen Soldaten ihren Einsatz vor allem auf die Suche und Zerstörung der unterirdischen Tunnel im Grenzgebiet. Ein Armeeoffizier bezeichnete die Situation als „unbegrenzte Feuerpause“, wie die Zeitung Ha’aretz zitierte. Am Mittag starb dennoch erneut ein Kleinkind im israelischen Bombenfeuer. Kurz zuvor hatten die Islamisten wieder Raketen auf Israel abgeschossen.

Der UN-Sicherheitsrat appellierte am Vorabend für eine „sofortige und bedingungslose Waffenruhe“. Der Abgesandte der Palästinensische Befreiungsorganisation PLO in New York, Rijad Mansur, kritisierte die Erklärung des Sicherheitsrats als zu zaghaft angesichts der Tatsache, dass „Israel uns bedroht und unsere Kinder tötet“. Mansur hätte eine verbindliche UN-Resolution als angemessener betrachtet. Auch Israels UN-Botschafter Ron Prosor zeigte sich mit der Erklärung unzufrieden, die die islamistische Hamas mit keinem Wort erwähnt.

Die Menschen im Gazastreifen, für die gestern das Eid al-Fitr, das Fest des Fastenbrechens am Ende des muslimischen Monats Ramadan, begann, wagten sich nur mit Vorsicht auf die Straße, vor allem, um nach Vermissten zu suchen und Tote zu beerdigen. „Die derzeitige relative Ruhe ist nicht das Ergebnis eines Abkommens“, meinte der Sprecher des Innenministeriums in Gaza, Ijad al-Buzm, gestern gegenüber der palästinensischen Nachrichtenagentur Maan. Einige hundert Muslime waren zum Morgengebet in die Al-Omari-Moschee im Zentrum der Stadt Gaza gekommen.

Die internationalen Bemühungen um einen Waffenstillstand laufen unterdessen mit Vollgas im Leerlauf. Dabei blockieren auch Machtinteressen der Regierungen in der Region die Fortschritte bei der Lösungssuche für den Gazastreifen. US-Außenminister John Kerry hatte am Freitagabend die israelische Regierung mit seinem Entwurf für einen Waffenstillstand erzürnt, der weder das Tunnelproblem noch eine Abrüstung der Raketen im Gazastreifen ansprach. Sogar die liberale Justizministerin Zipi Livni nannte den Vorschlag, der „die Extremisten in der Region stärken“ würde, als „völlig inakzeptabel“.

Auch die moderate palästinensische Führung im Westjordanland reagierte ungehalten angesichts des Waffenstillstandsentwurfs, der ohne ihre Mitarbeit entstand. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas erklärte vor Journalisten in Saudi-Arabien, dass er dem Treffen vergangene Woche in Paris ferngeblieben sei, weil Ägypten nicht eingeladen war. Israelischen Berichten zufolge stand Abbas selbst auch nicht auf der Liste der von Kerry geladenen Gäste. Stattdessen kamen die Chefdiplomaten aus Doha und Ankara, die beide der Hamas nahestehen.

Nach Ansicht von Abbas ist der ägyptische Kompromiss „der einzige Waffenstillstandsvorschlag auf dem Tisch“. Der Entwurf, den die Regierung in Kairo auf Initiative von Abbas gleich zu Beginn der israelischen Bodenoffensive vorgelegt hatte, sieht eine Stufenregelung zur Aufhebung der Gazablockade vor. Mussa Abu Marsuk, die Nummer zwei im Politbüro der Hamas und der letzte führende Kopf der palästinensischen Islamisten, der noch in Kairo lebt, rechnet damit, dass die ägyptische Regierung in Kürze einen neuen Vorschlag präsentieren wird.