Alaaf fürs Business

Aachen bangt um ein Kulturgut: Die Verleihung des Karnevalsordens „Wider den tierischen Ernst“ hat miese Quoten und Schleichwerbung eingebracht. Veranstalter und WDR geloben Besserung

VON KLAUS JANSEN
UND BERND MÜLLENDER

Wenn Friedrich Merz nach seinem Rückzug aus der Politik noch einen Job sucht, sollte er es als Werbetexter versuchen. Sein Talent in diesem Metier hat der CDU-Aussteiger mit seinem Auftritt in der ARD-Livesendung der Ordensverleihung „Wider den tierischen Ernst“ bewiesen. Weil er dort am vergangenen Samstag während der Laudatio auf den Air Berlin-Chef Joachim Hunold insgesamt zehn Mal dessen Firma erwähnte, haben der veranstaltende Aachener Karnevalsverein (AKV) und der übertragende WDR nun eine neue Schleichwerbedebatte am Hals.

„Nicht noch einmal“ werde man seinen Zuschauern eine solche Sendung zumuten, erklärte WDR-Fernsehdirektor Ulrich Deppendorf. Künftig soll die Ordensverleihung nur noch als Aufzeichnung und nicht mehr live übertragen werden. Obwohl die Zuschauerquote mit 13,1 Prozent Marktanteil die wohl mieseste seit Erfindung des Tuschs war, ist die Übertragung im ersten Programm noch bis einschließlich 2009 gesichert. Danach aber droht die Abschiebung ins Dritte.

„Es ist nicht perfekt gelaufen“, sagt AKV-Sprecher Torsten Peters. Und auch der allgegenwärtige Oberbürgermeister Jürgen Linden (SPD) fürchtet um den „Werbefaktor“ für seine Stadt. „Die Sendung hatte mehr Probleme als Höhen“, sagte er der taz. Selbst die beiden Aachener Zeitungen, sonst allem irgendwie Aachenerischem automatisch zugetan, schlagen wütend auf die Veranstaltung ein. Statt einer solchen Sitzung könne man „besser Testbild senden“, der „selbstherrliche Geldadel“ im AKV müsse endlich durch echte Karnevalisten ersetzt werden, beschweren sich Leser im Diskussionsforum der Aachener Nachrichten. „Ich sehe das wie beim Fußball: Nach dem schlechten Spiel muss es nächstes Jahr besser werden“, sagt Stadtchef Linden.

Davor aber muss geklärt werden, wie es zu der Werbepanne kommen konnte. Der AKV schiebt die Schuld auf den WDR: Der habe das Manuskript der Laudatio von Merz gegengelesen und genehmigt, sagt Sprecher Peters. „Natürlich haben wir über das Skript geredet“, sagt WDR-Unterhaltungschef Axel Beyer. „Mir stand zu häufig Air Berlin drin, und das haben wir Herrn Merz auch gesagt.“ Dass der sich nicht an die Absprache gehalten habe, könne in einer Livesendung nun einmal passieren.

Blöd für die Karnevalisten ist aber, dass nicht nur Vorjahrespreisträger Merz zum zweiten Mal auffällig geworden ist, nachdem er bei der Sitzung 2006 Teile seiner Rede aus dem Internet zusammenkopiert hatte. Auch der AKV ist in Sachen Schleichwerbung kein unbeschriebenes Blatt: Schon lange wundern sich Zuschauer über die Platzierung von Sponsoren wie Zentis oder König-Pilsener. Mitarbeitern zufolge soll dies sogar mit dem WDR abgesprochen gewesen sein.

„Unter meiner Verantwortung ist nicht einmal mit einem König-Pilsener zugeprostet worden“, beteuert WDR-Mann Beyer. AKV-Sprecher Peters verweist darauf, dass in diesem Jahr „extra neutrale Biergläser“ verwendet wurden. Bis heute hoffen die Karnevalisten, Air Berlin für die kommenden Jahre noch als Sponsor zu gewinnen. Trotz der „böswilligen Berichterstattung“ werde man dies prüfen, sagt Unternehmenssprecher Peter Hauptvogel.

Christian Mourad, vor drei Jahren nach heftigen internen Querelen als AKV-Geschäftsführer ausgeschieden, verfolgt die Scharmützel im Verein dennoch schon seit Jahren einigermaßen fassungslos. „Was da gerade passiert, sehe ich mit Traurigkeit und großer Sorge“, sagt er. Das schon 50 Jahren alte Konzept, Politiker und Karnevalisten gemeinsam auf der Bühne zu holen, sei einst die „die geilste Idee“ des Karnevals gewesen. Nun sehe er „Kasperle-Theater“, die Veranstaltung drohe „den Bach runterzugehen.“

Tatsächlich wird es für den AKV immer schwerer, passende Preisträger zu finden. In der politischen Klasse, vornehmlich in der Karnevalsdiaspora Berlin, wird Ritter-Aachen zunehmend als Peinlichkeitsnummer registriert, von der man besser die Finger lässt. Der WDR allerdings glaubt weiter an eine Zukunft des Fernsehkarnevals: „Es gab immer Wellenbewegungen in der Quote“, sagt Unterhaltungschef Beyer. „Am Samstag liefen wir auch gegen Carmen Nebel im ZDF. Die hat vom Alter eine ähnliche Zielgruppe wie Karneval.“