Sturmrinne für Futtermittel

Einen Meter tiefer soll die Weser werden, für offiziell 50 Millionen Euro. Deichschützer warnen vor hohen Folgekosten. Wie viel Tiefgang Weser-Schiffe wirklich haben, bleibt weiterhin geheim

von Armin Simon

Die Grundeln werden es ausbaden müssen, so viel ist sicher. Was im Fall der kleinen, die flachen Uferzonen bevorzugenden Fische so viel heißen könnte wie: ausgebadet haben. Die Fahrrinne in der Weser soll ausgebaggert werden, um bis zu einen weiteren Meter, damit Schiffe mit größerem Tiefgang nach Bremerhaven und Bremen fahren können. Damit die Stahlwerke mehr Kohle und Eisenerz auf einmal anlanden können, der Hafen in Brake um seinen Status als Hauptumschlagplatz für Futtermittellieferungen in die Wesermarsch nicht bangen muss. Und damit auch mit 12.000 Standardcontainern vollbeladene Pötte vor Bremerhaven nicht steckenbleiben. Der Lebensraum der Grundeln wird durch die Baggerei stark eingeschränkt. Und der „riesige Schlammfang“, wie Ökologen die geplante Schiffswendestelle auf Höhe Bremerhavens schimpfen, macht allen Fischen, die in die Unterweser oder raus in die Außenweser schwimmen wollen, das Leben schwer.

Die Verkehrsplaner stört das wenig. Die Weser ist eine Bundeswasserstraße, das Bundesverkehrsministerium selbst hat ihren Ausbau politisch beschlossen: 100 Kilometer, von der Nordsee bis zum Bremer Hafen, Grundeln hin oder her.

Schaden und Nachteile fürchten allerdings auch viele AnliegerInnen. Die Strömung nimmt zu, der Tidenhub vergrößert sich, die Uferzonen verschlicken, die Unterhaltskosten für die Fahrrinne steigen, die Deiche werden instabil, das Wasser salzhaltiger – und Nordwind kann Sturmfluten schneller und stärker landeinwärts treiben. Rund 1.000 Einwendungen, von Einzelpersonen wie Umwelt, Bauern- und Deichverbänden, erörtert die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest seit Donnerstag in Bremerhaven.

Bis heute sei unklar, wie viele Schiffe überhaupt so viel Tiefgang brauchten, kritisiert Nadja Ziebarth vom Verein Aktionskonferenz Nordsee. Das Wasser- und Schifffahrtsamt Bremerhaven, das den Antrag zum Ausbaggern der Fahrrinne gestellt hat, schweige sich darüber beharrlich aus. Ziebarth hat eine Vermutung warum: „Damit steht das Ziel des Projektes in Frage.“

Die Bremer Stahlwerke etwa, sagt Ziebarth, könnten derzeit zwar nicht von vollgeladenen Kohleschiffen beliefert werden. Man dürfe aber bezweifeln, ob es sich lohne, für ein paar Dutzend Schiffe im Jahr 60 Kilometer Unterweser auszubaggern. Und was die Außenweser, die Zufahrt nach Bremerhaven, angehe, so sei der vielzitierte „Panmax“-Frachter mit einem Tiefgang von 13,80 Meter eher ein „hypothetisches Schiff“ – weil die Pötte einen Teil ihrer Container meist schon in Rotterdam und Antwerpen ablüden, bevor sie Kurs auf Bremerhaven nähmen.

Der Bremer Deichhauptmann Michael Schirmer vom Deichverband Rechts der Weser wies daraufhin, dass die offizielle Rechnung, die von Ausbaukosten in Höhe von 50 Millionen Euro ausgeht, viele Positionen gar nicht erfasst habe. So steige bei tieferen Fahrrinnen auch der jährliche Unterhaltungsaufwand. Und die zusätzlichen Ausgaben für den Küstenschutz, die die Weservertiefung mit sich bringe, dürften keinesfalls an den Deichverbänden hängen bleiben. Tragen müsse sie, wenn schon, das Wasser- und Schifffahrtsamt, fordert Schirmer – „mit Sicherheit einige Millionen“.