Nicht mehr Fehler als anderswo

Die Bagis arbeitet schlecht, moniert der Rechnungshof. Der Politik kommt das gelegen: Sie hat einen Sündenbock und gewinnt bei den Zwangsumzügen an Zeit. Letzteres ist „politisch gewollt“, so das Sozialressort, aber ungesetzlich, so der Rechnungshof

von Jan Zier

Es riecht nach Schlamperei, auf den ersten Blick jedenfalls. Auch wenn Lothar Spielhoff, der Präsident des Landesrechnungshofes, diesen Verdacht zurückweist. Doch hat seine Behörde jüngst heftige Kritik an der Bremer Agentur für Arbeit und Soziales (Bagis) geäußert. Rund 58 Prozent aller Bagis-Bescheide seien falsch, heißt es in dem Bericht des Rechnungshofes, Mehrausgaben von rund 2,5 Millionen Euro seien die Folge gewesen. Und das allein für die Kosten von Warmwasser und Heizung in den Wohnungen der ALG II-EmpfängerInnen. Und erst mit einjähriger Verspätung habe das Sozialressort sich darauf verständigt, wie mit all jenen umzugehen sei, deren Miete über dem liegt, was Arbeitslosen in Bremen als „angemessen“ zuerkannt wird.

Die Bagis nehme die Vorwürfe „sehr ernst“, sagt ihr stellvertretender Geschäftsführer Eckhard Lange, sie seien jedoch „allen Insidern bewusst gewesen“ – und zwar schon bevor der Rechnungshof kam. Mit dem Bericht aber habe die Bagis jetzt auch eine Handhabe, sagt Lange. Schon wurde beschlossen, zu den bislang 750 MitarbeiterInnen 50 neue einzustellen, wenn auch nur mit befristeten Verträgen. Das Geld dafür kommt vom Bund. Ansonsten aber zeigt sich die Bagis schuldbewusst, will ihr Personal „weiter zügig“ schulen, und „eindeutigere fachliche Weisungen“ ausgeben. Außerdem soll eine Organisationsberatung bis April die Arbeitsabläufe der Bagis untersuchen.

„Derzeit weiß die linke Hand oft nicht, was die rechte macht“, sagt Spielhof. Die Bagis arbeitet in Teams von bis zu 15 MitarbeiterInnen, moniert der Rechnungshof, die Fälle seien einzelnen Beschäftigten deshalb nicht verantwortlich zuzuordnen. Häufig sei noch nicht einmal ersichtlich, wer eine Akte zuletzt in der Hand hatte. Da bleibt schon mal was liegen. Die zahllosen falschen Bescheide der Bagis allerdings seien „keine Bremensie“, sagt Spielhoff, auch die Rechnungshöfe anderer Länder hätten ähnliche hohe Fehlerquoten in den Fallakten von Hartz IV-EmpfängerInnen festgestellt.

Geht es nach dem bremischen Rechnungshof, hätten die jetzt ins Haus stehenden Zwangsumzüge laut Gesetz schon viel früher beginnen müssen. Die Bagis gewähre jenen bislang 6.453 erfassten ALG II-EmpfängerInnen, deren Miete sie für „unangemessen hoch“ erachtet, zwölf Monate Zeit, sich eine billigere Bleibe zu suchen. Mehr als sechs Monate dürften es aber es nicht sein, sagt der Rechnungshof, so schreibe es der Gesetzgeber nun mal vor.

Allerdings weiß auch Spielhoff, dass gerade Single-Haushalte in Bremen ein „akutes Problem“ haben, eine Wohnung zu finden, deren Kaltmiete und Betriebskosten die vorgesehenen 253 Euro im Monat nicht übersteigen. Im Bericht des Rechnungshofes tauchen die alleine lebenden Arbeitslosen deshalb gar nicht erst auf, obwohl sie die weitaus größte Gruppe der Arbeitslosen stellen.

Doch einen politischen Beschluss, die Zwangsumzüge zu verschieben, gebe es nicht, sagt der Rechnungshof. Die Sprecherin des Sozialressorts, Heidrun Ide, wiederum sagt, es war „politisch gewollt“, schon die Umzugsaufforderungen bis zum 1. Juli 2007 zu staffeln, „aus sozialen Gründen“. Inzwischen aber hat das Sozialressort gerade bei den Single-Haushalten „rechnerisch ein hohes Mietsenkungspotenzial“ ausgemacht. Schließlich muss gespart werden, auch auf Kosten der Arbeitslosen. Soweit wollte nicht einmal der Rechnungshof gehen. Wer allein lebt und arbeitslos ist, der hat in Bremen „ein zur Zeit nicht zu lösendes Problem“, sagt Spielhoff.