Das Volk fehlte

DEMOS Es sollte die ganz große Pro-Guttenberg-Show werden. Aber die über Facebook organisierte Unterstützung für den Exverteidigungsminister fiel ziemlich lahm aus

■ „Wir sind Dein Volk“

■ „Lieber gut kopiert als schlecht frisiert“

■ „Du hast die Haare schön!“

■ „Jetzt oder nie: Monarchie!“

■ „Guttenberg muss Kaiser werden“

■ „Militärputsch jetzt!“

■ „Raubkopieren ist doch kein Verbrechen“

■ „Guttenberg: Von Gott gesandt für unser Land“

■ „Copy + paste = Kommunismus“

■ „Dr. der Herzen“

■ „Schönheit vor Wahrheit!“

■ „Gutti für Mutti!“

■ „Junge, komm bald wieder“

AUS BERLIN UND HAMBURG MARTIN KAUL
UND EMILIA SMECHOWSKI

Er hat es sich nicht nehmen lassen, heute selbst dabei zu sein: Brille, Anzug, Pomade im Haar. Das ist er, Karl-Theodor zu Guttenberg. Oder zumindest sein Double. Mit seiner Stephanie unterm Arm schreitet er auf dem Hamburger Gänsemarkt umher und sagt: „Ich weiß jetzt, ich will Deutschland treu bleiben, weil Deutschland mir treu geblieben ist.“

Karl-Theodor zu Guttenberg ist so etwas wie ein Hoffnungsträger für die Samstagsrevolution. Für den ersten echten Aufstand der schweigenden Mehrheit gegen die Hetzkampagnen der Meinungsmacher. Und er ist der Hoffnungsträger für einen Protest, der bei Facebook begann – und an diesem Samstag offline gehen will: auf dem Gänsemarkt in Hamburg und vor dem Brandenburger Tor in Berlin, auf dem Münchner Rindermarkt, in Frankfurt am Main und, natürlich, in Guttenbergs Heimatort Guttenberg. Das Volk fordert die Rücknahme des Rücktritts des Exverteidigungsministers. Ein Novum in der deutschen Geschichte. Doch: Es fehlt das Volk.

Der Offlineprotest will nicht so recht gelingen: 500 Menschen stehen auf dem Gänsemarkt in Hamburg. Aber wer auf wessen Seite steht, ist nicht so ganz klar. Gut die Hälfte ist verkleidet und treibt Späße: Männer in Barbour-Jacken verteilen Doktortitel. Auf ihren Transparenten steht: „Schöne Herrscher braucht das Land“ und „Haargel ist kein Verbrechen“.

Nadezda Bender, eine ältere Dame aus Serbien, betrachtet die Menge von der Seite. „Guttenberg war so ein eloquenter und charmanter Politiker“, sagt sie. Sie mag ihn. Doch sie hat die Übersicht verloren: Die Demonstranten hält sie allesamt für Anhänger Guttenbergs. Sie freut sich über so viele Unterstützer.

Nadezda Bender hat etwas gemeinsam mit Heidemarie Brauer, 67, mit Michael Donner, 70, und mit Irmgard Opitz, 62. Die drei stehen am Samstag in Berlin am Brandenburger Tor. Sie sind die Generation Offlineprotest. Und damit stehen sie hier ziemlich allein. Ein paar Dutzend Gleichgesinnte sind noch da, meist über 60.

Über Facebook hatten Netzaktivisten zu den Demos aufgerufen. „Wir wollen Guttenberg zurück“, sollen dort über 500.000 Menschen gefordert haben.

„Politiker mit Format“ will Brauer haben. „Nicht diese weichgespülten Wischiwaschimenschen“, sagt Donner. Ein Zeichen setzen will er, „gegen diese gigantische Hetzkampagne“.

Vor dem Brandenburger Tor steht die „Monarchohedonistische Front“ und schreit: „Gebt dem Gutti sein Land zurück: Amt! Für! Amt!“ Die Scherzbolde aus der undogmatischen Linken beherrschen das Bild an diesem Tag. „Wir sind Dein Volk“ steht auf ihren Plakaten.

Ein paar Dutzend Gleichgesinnte sind da, meist über 60

Sebastian Clören heißt im Netz „Sebastian Kaspaklatsche“. Der 25-Jährige ist der Gründer der Facebook-Gruppe „Karl-Theodor zu Guttenberg soll bleiben“, er hat den Facebook-Protest organisiert. Doch auch der Hamburger hat die Übersicht verloren. „Ich habe stark übertrieben“, sagt er. Er wollte für Guttenberg auf die Straße gehen, Massen mobilisieren via Facebook, zum ersten Mal im Leben politisch aktiv werden. Erst sprach er von 500.000 Menschen, mit denen er auf Deutschlands Straßen rechne. Dann von 50.000 Menschen. Am Ende kamen höchstens 5.000, in ganz Deutschland. Und von denen war die Hälfte nur zum Spott da. In Guttenbergs gleichnamigem Heimatort Guttenberg kamen immerhin 2.000 Menschen, und die meinten es ehrlich.

„Peinlich“, findet das Clören: „Klicken können die Leute, aber auf die Straße gehen sie nicht.“ Clören selbst war auch nicht bei der Demo. Er musste auf sein Kind aufpassen.

Der Netzaktivist Sascha Lobo wittert Ungereimtheiten in der Gruppe „Wir wollen Guttenberg zurück“, die in den vergangenen Tagen für viel mediales Aufsehen gesorgt hatte. In seinem Blog ruft Lobo die Netzgemeinde auf, zu prüfen, ob es sich bei der Fan-Site nicht auch um ein Fake handeln könnte. Sowohl von Facebook als auch von Initiatoren der Gruppe war am Samstag keine Stellungnahme zu erhalten.

Nur die Fangemeinde des Exministers setzte am Samstag ein deutliches Zeichen, ganz in der Tradition des Freiherrn: Erst kamen die großen Posen, dann folgte schlechte Performance.