Zu billig fürs Unglück

„The Good German“ von Steven Soderbergh (Wettbewerb) erfreut sich ein wenig zu sehr am Nachkriegs-Berlin als Abenteuerspielplatz, um in Sachen Moralfragen noch überzeugen zu können

VON TOBIAS RAPP

Man sollte keinen Film vor seinem letzten Drittel loben. Aber wie „The Good German“, Steven Soderberghs Neo-Noir-Film über Schuld und Verstrickung im Berlin der unmittelbaren Nachkriegszeit, in seiner letzten halben Stunde genau den Qualitäten vor den Bus läuft, die ihn so großartig beginnen lassen, das hat seine eigene tragische Größe. Vielleicht sollte man in einem amerikanischen Film über Berlin im Jahre 1945 auch einfach keine Deutschen vorkommen lassen. Zumindest keine Massenmörder, die wieder gut werden wollen.

George Clooney spielt den amerikanischen Kriegskorrespondenten Jake Geismar, der im Sommer 1945 nach Berlin reist, um über die Konferenz von Potsdam zu berichten. Schnell stellt sich heraus, dass der Fahrer, der ihm zugeordnet worden ist (auch toll: Tobey Maguire), nicht nur in alle möglichen Schwarzmarktmachenschaften verstrickt ist, sondern auch eine Affäre mit jener Frau hat, in die Geismar vor dem Krieg verliebt war: Lena Brandt (Cate Blanchett). Da war Geismar schon einmal als Journalist in Berlin. Kurze Zeit später zieht man den Fahrer mit einer Kugel in der Brust und sehr viel Geld in der Tasche tot aus dem Wannsee – direkt hinter der Villa, in der gerade über die Zukunft Europas entschieden wird.

Grandios das Berlinbild, das Soderbergh zeichnet: ein zerbombtes Paradies für Schieber, ein riesiger Abenteuerspielplatz für alle, die die richtige Uniform tragen oder sich die passenden Papiere besorgen können. Voller Hinterhofbars, Kellerclubs und Militärlagerhäuser, in denen russische und amerikanische Soldaten mit dem Schnaps handeln, der eigentlich in Churchills Hotelzimmer stehen sollte.

Großartig auch deshalb, weil Soderbergh den Film nicht nur in Schwarzweiß, sondern auch mit altem Equipment gedreht hat (selbst auf so liebevolle Feinheiten wie das wochenschauartige Wackeln des Filmtitels hat er geachtet). Wahrscheinlich muss man Amerikaner sein, um dieses ewige Klischee von Berlin als der rauen, ungezügelten Amüsiermetropole ausgerechnet in die frisch besiegte Reichshauptstadt zu verlegen. Deutsche dürften dafür zu viele Skrupel haben.

Aus gutem Grund, wie das letzte Drittel des Films dann zeigt. Denn eben jene Leichtigkeit, die Berlin so überzeugend als eine Stadt zeichnet, die sich jedem an den Hals wirft, der auf der Suche nach dem schnellen und billigen Glück ist, wird zu einem Problem, wenn es darum geht, das große und teure Unglück abzubilden. Genau das will „The Good German“ aber eben auch noch. In diesem Setting zusätzlich über die schuldhaften Verstrickungen von KZ-Aufsehern und die moralische Verantwortung von Militärs zu reflektieren, die glauben, zu egal welchem Preis auf deutsche Raketentechnologie angewiesen zu sein – das ist dann doch ein wenig viel.

„The Good German“. Regie: Steven Soderbergh. Mit George Clooney, Kate Blanchett, Tobey Maguire. USA 2006. 108 Min., heute, 10. 2., 15 und 18.30 Uhr, Urania, 22.30 Uhr International