Krank durch die Erderwärmung

Forscher haben die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels für Deutschland berechnet

In Hamburg wird es künftig elf Hundstage pro Jahr geben. Gegenwärtig sind es zwei

HAMBURG taz ■ Ein wärmeres Klima wird die Deutschen kränker und weniger leistungsfähig machen. Nach Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) könnte das am Ende dieses Jahrhunderts bis zu einen halben Prozentpunkt des Bruttosozialprodukts kosten. Bis zu 12.000 Menschen pro Jahr könnten den Hitzetod sterben. Deshalb fordert die Umweltorganisation WWF, die die Studie in Auftrag gegeben hatte, Deutschland müsse die Vorreiterrolle beim Kampf gegen die Erderwärmung übernehmen und dürfe „nicht länger zu Gunsten der Industrie Bremser in Europa sein“.

Grundlage der Studie ist ein mittleres Klimaszenario des International Panel on Climate Change (IPCC) von 2001. Die aktuellen dramatischeren Zahlen, die das IPPC in der vergangenen Woche vorgelegt hatte, wurden vom IfW also noch nicht berücksichtigt. Den früheren Schätzungen der UN-Klimaforscher zufolge würde die Konzentration von Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre von heute knapp 400 auf rund 700 ppm (parts per million) im Jahr 2100 ansteigen. Das Klima würde insgesamt wärmer. Vor allem aber gäbe es mehr sehr heiße Tage mit einer gefühlten Temperatur von 32 Grad und höher.

Im Zeitraum 2071 bis 2100 würde es im Bundesdurchschnitt 10 bis 15 mehr solcher Hundstage pro Jahr geben als zwischen 1971 und 2000. Dabei sind große regionale Unterschiede zu erwarten. In Mannheim wird die Zahl der Hitzetage von 8 auf 31 steigen, in Frankfurt von 4 auf 23, in Leipzig von 3 auf 15 und in Hamburg von 2 auf 11.

Das Konzept der „gefühlten Temperatur“ stammt vom Deutsche Wetterdienst. „Damit konnte man sehr genau die Folgen der Hitzewelle von 2003 rekonstruieren“, sagt Gernot Klepper, der Autor des IfW-Gutachtens. Damals starben in Deutschland 7.000 Menschen an der großen Hitze, in ganz Europa 35.000.

Extrem hohe Temperaturen belasten vor allem das Herz-Kreislauf-System und die Lunge. Bereits heute werden in Deutschland jährlich 24.500 Patienten wegen hitzebedingter Beschwerden in die Krankenhäuser eingeliefert. Der Studie zufolge sind im letzten Drittel des Jahrhunderts 150.000 Einweisungen pro Jahr wahrscheinlich. Die Krankenhauskosten stiegen dadurch voraussichtlich um 300 bis 700 Millionen Euro.

Passen die Menschen ihr Verhalten nicht an, werde die Zahl der Hitzetoten gegen Ende des Jahrhunderts um 5.000 pro Jahr zunehmen, extrapolieren die Gutachter. Die Alterung der Bevölkerung und die größere Empfindlichkeit alter Menschen eingerechnet, sei dann mit 12.000 Hitzetoten zu rechnen.

Während sich die Zunahme der Krankenhauskosten bezogen auf das Bruttosozialprodukt bescheiden ausnimmt, sieht das bei den erwarteten Produktionseinbußen anders aus. Klepper und sein Koautor Michael Hübler unterstellen einen Rückgang der Leistungsfähigkeit bei Temperaturen von gefühlt mehr als 26 Grad von 3 bis 12 Prozent. Daraus errechneten sie Einbußen beim Sozialprodukt von 0,12 bis 0,48 Prozent.

In dem Gutachten nicht berücksichtigt sind die Folgen anderer extremer Wetterereignisse wie Flutwellen und Stürme. Auch neue Krankheiten und Allergien, die sich durch die Wärme hierzulande ausbreiten könnten, bezogen sie in ihr Kalkül nicht ein. Dazu gehören die Malaria, allergieauslösende Pflanzen und Zecken, die Hirnhautentzündung und Borreliose übertragen.

Das IfW-Gutachten passt ins Bild des im vergangenen November veröffentlichten Stern-Reports. Darin hatte der ehemalige Chefvolkswirt der Weltbank, Nicholas Stern, eine Einbuße von insgesamt 20 Prozent beim weltweiten Sozialprodukt durch Klimaschäden prognostiziert. Um das zu verhindern, müsse ein Prozent des laufenden Sozialprodukts für den Klimaschutz aufgewendet werden.

„2007 ist ein entscheidendes Jahr für den Klimaschutz“, sagt Regine Günther vom WWF. Auf dem anstehenden Gipfeltreffen der EU und der großen Industrieländer (G 8) müssten die Weichen gestellt werden. Dabei müsse Deutschland führen und sich verpflichten, seinen CO2-Ausstoß bis 2020 um 30 Prozent zu verringern. Gernot Knödler