Im Tischfussball ist Berlin eindeutig besser organisiert als im Karneval
: Eine epische Schlacht im Schmittz

VON MICHAEL BRAKE

AUSGEHEN UND RUMSTEHEN

Karneval! Ja, genau: Karneval. Ein Fest, dessen Prinzip ich nie begreifen werde bzw. dass ich das überhaupt versuche, also das Begreifen, zeigt vermutlich schon, dass Karneval und ich … egal. Dank einiger Facebook-Statusmeldungen und -Clownsnasenfotos aus dem Rheinischen war ich zumindest erstmals seit Jahren überhaupt informiert, dass Karneval gerade stattfindet, und hatte mir derart angetriggert vorgenommen, am Wochenende gezielt auf Faschingszeichen zu achten.

Was halt bloß in Berlin nicht funktioniert. Um die Bezuglosigkeit der Stadt zum Karneval kurz auf den Punkt zu bringen: Dieses Jahr fand der offizielle Umzug in der City West einfach schon ein Wochenende früher statt. Damit die Musikgruppen aus NRW auch mitfeiern können. Fastenzeit? Ostertermin? War da was? Warum nicht nächstes Jahr den Umzug im Sommer, dann ist es auch wärmer und überhaupt.

Meine Karnevalsausbeute war entsprechend kläglich: ein Mönch (kann aber auch ein Live-Rollenspieler gewesen sein), drei Matrosinnen (die können aber auch einen Junggesellinnenabschied gefeiert haben), ein Faschingsparty-Ankündigungsschild (fand aber keine statt), ein Kiosk, der „Luftrüssel“ verkauft, und eine Bäckerwerbetafel für Schmalzgebackenes. Oder andersrum: Die meisten Jecken sah ich im Gästeblock des Westfalenstadions, als ich in der Magnet Bar die Wiederholung von Dortmund gegen Köln guckte und auf meine Kickerverabredung P. und F. wartete.

Kleiner Exkurs: Seit Gründung von Tischfußballliga und -verband vor fünf Jahren hat sich das Kickerwesen in Berlin stark ausdifferenziert. Früher mischte sich die Kickerelite in diversen Kneipen unter die Gelegenheitsspieler und Lokalhelden und es war insgesamt alles ziemlich unübersichtlich. Inzwischen hat Berlin sechs Ligen mit 56 Teams, die besten Spieler fahren alle drei Wochen gemeinsam auf nationale Turniere und die gesamte Szene ist extrem posh geworden, was Qualität der Tische und Gegner betrifft. Man distinguiert sich vom Kickerpöbel durch Material (Hohlstangen!) und Regelwerk (Mitteleinwurf! Ein-Mann-Pass-Verbot!) und trifft sich gezielt an wenigen ausgesuchten Orten.

Doch am Freitag sollte F. in die Grundzüge des Tischfußballs eingewiesen werden und deswegen ging es oldschool in Kneipen mit Ranztischen. Eine Art Zeitreise, zumal ich in Prenzlauer Berg jedes Mal aufs Neue irritiert bin, wie umfassend und sorgfältig der komplette Bezirk vor sieben Jahren mit Gunther-von-Hagens-Plastinat überzogen wurde. Diese dämlich-verwortspielten Lädennamen, dieser warmfarbig-retromuffige Bar-Einrichtungsstil – konserviert für die Ewigkeit.

Das ist jetzt natürlich keine bahnbrechend neue Erkenntnis, aber hey: dass Atomkraft Mist ist, ist auch nichts Neues und steht trotzdem jede Woche in der taz. Also.

F. erwies sich als großartige Schülerin, die jetzt problemlos Teamdeckung und Rausspiel beherrscht. Gemeinsam rangen wir im Schmittz, einer Bar der Torstraße, in einer epischen Schlacht den Zwillingsbruder von Jürgen Klopp und seinen hyperaktiven Mitspieler nieder.

Den Nelkensamstag verbrachte ich dann in Neukölln, der geschätzte Kollege D. hatte ins Bauer & Ewald zum Geburtstag geladen. Die Wände waren weiß und kahl, man trank Bierbier (so hieß es), sprach über Touristifizierung und Spielhallenschwemme, Anne Will als Klofrau, Twitter, Durchmachen, Budapest, solche Dinge. Spät am Abend erzählte Kollege S., wie er bei einem Kloschlangen-Ausweichmanöver in die benachbarten Lenau Stuben die leiseste Faschingsparty Berlins entdeckt hatte. Mit Kostümen! Da hatten sie sich also versteckt.

Am Sonntag noch eine Premiere: Ich faltete mein erstes Origami-Tier – einen Walfisch.